Wie verrückt die Steuergesetzgebung in den USA inzwischen ist, erfuhr ich bei einem Streik im New Yorker Stadtteil Queens.
Wir waren gerade auf dem Weg ins Filmmuseum („Museum of the Moving Image“), da gerieten wir vor einem Telefon-Laden des IT-Konzerns Verizon in einen kleinen Menschenauflauf. Etwa 50 Gewerkschafter der „Communications Workers of America“ (CWA), alle in roten T-Shirts, schimpften und buhten, wann immer jemand den Laden betreten (und ihren Streik brechen) wollte.
Der Stadtteil Queens ist ein eher ruhiges Pflaster: Reihenhäuschen, nette Vorgärten, fast zu normal für New York. Vor dem Laden protestierte auch nicht die Unterschicht, sondern die „Middle Class“. Sie protestierte gegen die Steuerpolitik der Regierung Bush/Obama, die es ermöglicht hat, dass der Verizon-Konzern, der 2009 und 2010 mehr als 24 Milliarden Dollar Gewinn einfuhr, keinerlei Einkommenssteuern zahlen musste. Verizon bekam sogar 1,3 Milliarden Dollar vom Finanzamt zurück erstattet. Und so geht es vielen Konzernen in Amerika; Warren Buffett hat diesen Wahnsinn jüngst kritisiert.
Trotz der hohen Profite und der faktischen Steuerbefreiung reduzierte Verizon – nach Angaben der Gewerkschaft – die vergleichsweise gut bezahlten Arbeitsplätze in der Festnetzsparte in den vergangenen fünf Jahren von 173.000 auf 92.300. Die Zahl der schlechter bezahlten Jobs in der Mobilfunksparte stieg dagegen von 55.700 auf 79.000.
Laut Gewerkschaft verschiebt Verizon die Beschäftigung ganz gezielt auf schlechter bezahlte, nicht gewerkschaftsgebundene Mitarbeiter. Über diese Themen berichtet das Handelsblatt (natürlich) nicht.
Das Filmmuseum hat uns trotzdem gefallen.
Und das ist es also, was unsere Regierenden auch erreichen wollen? Um dann postwendend die Sozialausgaben zu kürzen, weil ja kein Geld da ist. Schöne neue Welt haben wir uns da „gewählt“. Schade, dass es soweit kommen musste…
Sind wir nicht Alle kleine Amerikaner und wollen es auch so haben ??
„Über diese Themen berichtet das Handelsblatt (natürlich) nicht.“
Vielleicht würde man vom *handelsblatt* erwarten, daß dort Zahlen genannt werden.
Ich kann nur erkennen, daß für Verizon Comm. bei den *Income Statements* folgende Mitteilungen gemacht werden: zum 31.12.2009 Income Taxes in Höhe von 1,919 Mrd. $ und ein Netto Income in Höhe von 4,894 Mrd. $. Zum Jahresende 2010 werden 2,467 Mrd. $ Income Taxes und ein Netto Income in Höhe von 2,549 Mrd. $ angegeben.
Es gibt sicherlich Leute, die sich dort besser auskennen und die kleine Diskrepanz zu „24 Milliarden Dollar Gewinn … keinerlei Einkommenssteuern“ aufklären können.
@Herold: Haben Sie Verizon Wireless dazu gezählt? Und sind das vielleicht Quartalszahlen? CWA bezieht sich bei den Zahlen auf das „Institute for Policy Studies“.
Und zumindest hier findet man die entsprechenden Zahlen unter Punkt 9 der Top 10:
http://communities.washingtontimes.com/neighborhood/ad-lib/2011/apr/10/tax-evaders-wall-shame/
Wenn ich es richtig sehe, dann wird *Wireless* im Zahlenwerk von Verizon Comm. konsolidiert. Hie sind die Daten:
http://www.marketwatch.com/investing/stock/vz/financials
Nun ist es die Aufgabe von Journalisten zu ermitteln, wann wer welche Steuern und warum gezahlt hat. Dafür haben wir Euch ja. 🙂
Interessanter Beitrag der FAZ v. 27.8. „Konzerne schleusen über Irland Gewinne in Steueroasen“. Googles irische Tochter sei ein Musterbeispiel dafür, wie internationale Konzerne ihre Gewinne auf dem Globus hin- und herschieben, um möglichst wenig Steuern zahlen zu müssen. Die irische Tochter zahle einfach horrende „Verwaltungskosten“ an eine andere irische Tochter (double irish), die auf den Bermudas residiere. So werde der Europa-Gewinn auf praktisch Null reduziert und es fallen keine Steuern an. Nach Berechnungen des US-Steuerwissenschaftlers Martin Sullivan habe Google 2010 auf internationale Gewinne von 5,8 Mrd. Dollar nur 174 Millionen Dollar Steuern gezahlt = 3 Prozent. Die Firma Apple komme danach in Europa auf 1 Prozent Steuern!
Und das sei die gängige Praxis vieler US-Konzerne. „Ökonomen schätzen, dass amerikanische Konzerne ihre Steuerzahlungen in der Heimat um rund 60 Milliarden Dollar im Jahr senken, indem sie Gewinne in Steueroasen verschieben.“