Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

King Kong gegen Godzilla

20. Januar 2012, 13:53

Es ist der Kampf des Jahrhunderts. Die Content-Industrie (King Kong) ringt mit der Plattform-Industrie (Godzilla) um die Vorherrschaft. SOPA, PIPA und ACTA sind wichtige Waffen dabei.

In der Waffenindustrie gilt die zynische Regel: Je größer die Vernichtungskraft einer Waffe, desto harmloser ihr Name. Die Bombe für Hiroshima hieß deshalb „Little Boy“. Bei einschneidenden Gesetzen ist das so ähnlich.

SOPA, PIPA und ACTA klingen erst mal süß. Doch bei SOPA, PIPA und ACTA geht es um die profitabelste Zukunftsbranche der Welt. Nicht einmal die Auto-Industrie kann derart traumhafte Umsätze erreichen. Immaterielle (also digital gespeicherte) Güter und die mit ihnen verbundenen Nutzungsrechte sind die Goldgrube des 21. Jahrhunderts.

Nur deshalb wird der Kampf um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt mit derart harten Bandagen geführt. Nur deshalb werden Heerscharen von Lobbyisten eingesetzt, Regierungen erpresst, Geheimabkommen ausgearbeitet und drakonische Strafen angedroht.

Das letzte Aufbäumen der Inhalte-Industrie?

Die derzeit laufenden ‚Verhandlungen’ über ACTA, PIPA und SOPA zeigen, dass die alte Content-Industrie ihre Interessen und Reviere mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die aufstrebende Plattformindustrie verteidigen wird. Die Fronten sind unversöhnlich, trotz aller Gespräche hinter den Kulissen, trotz aller Vermittlungsversuche und Deeskalationsmaßnahmen. Am Ende des Kampfes wird es einen klaren Verlierer geben – oder eine Blutsbrüderschaft zwischen Godzilla und King Kong.

King Kong – das ist die Content-Industrie. Das ist Hollywood, das ist Walt Disney, Universal Music, News Corporation, Viacom, Sony, Bertelsmann, Springer etc.pp. Godzilla – das sind die Plattformbetreiber. Das sind Apple, Facebook, Google/YouTube, Ebay, Amazon usw.

King Kong lebt davon, dass die Menschen für die Nutzung der Inhalte bezahlen – und zwar jeder einzelne von ihnen. Godzilla lebt davon, dass die Menschen nach den Inhalten von King Kong Ausschau halten oder diese empfehlen bzw. verwenden. Ob sie dafür bezahlen, interessiert Godzilla nicht. Deshalb will Godzilla auch nicht, dass die Menschen überwacht werden (und die Menschen denken: Was für ein gutes Monster!). Denn Godzilla mag es, wenn möglichst viele Menschen kommen, um Ausschau nach King Kongs Produkten zu halten oder mit ihnen zu spielen. Godzilla lebt von der Zahl der Besucher und von den Daten, die sie dabei hinterlassen.

Nun möchte King Kong Godzilla (auf dem Umweg über die Provider) rechtlich verpflichten, ein Auge auf King Kongs Produkte zu haben, und alle Menschen zu melden oder auszusortieren, die nicht an King Kong bezahlen. Godzilla hat keine Lust zu dieser Überwachung, weil ihm die Menschen, die nicht an King Kong zahlen, genauso willkommen und nützlich sind wie die, die bezahlen. Die Interessen des einen schmälern also das Geschäftsmodell des anderen.

Der alte King Kong ist darüber so erbost, dass er die ihm fremde Internet-Welt lieber kaputt haut, als sich künftig mit kleineren Profiten zu begnügen. Er möchte, dass Godzilla ihm dient, doch Godzilla denkt nicht daran. Denn Godzilla hat wesentlich mehr Kohle.

Eines Tages wird Disney zu einer Sparte von Apple

Früher, als das Internet noch nicht existierte, wurden die Drucker der Zeitungen so reich, dass sie auch die Presse, die sie druckten, irgendwann kaufen konnten. Heute werden die Plattformbetreiber so reich, dass sie die Hersteller der Inhalte, die auf diesen Plattformen laufen, aus der Portokasse erwerben können. Und sie werden das eines Tages auch tun, weil sie von der Inhalte-Industrie dazu animiert werden.

Die Plattformbetreiber werden eines Tages sagen, ihr geht uns mit eurem Inhalte-Geschrei und eurem Scheiß-Urheberrecht so auf die Nerven – wir kaufen euch jetzt, damit ihr endlich die Klappe haltet! Dann wird aus Disney eine Sparte von Apple und aus der News Corporation eine Unterabteilung von Google oder Facebook. Schon heute wandeln sich ja manche Content-Anbieter durch Zukäufe in halbe Internet-Plattformen (siehe Springer Verlag) und manche Internet-Plattformen entfalten mehr und mehr verlegerische Content-Aktivitäten.

Wenn die Plattformindustrie die Content-Industrie eines Tages integriert, wird es auch ein neues Urheberrecht geben. Dann allerdings (das wage ich zu prophezeien) werden die Forderungen an eine Lockerung des Urheberrechts sehr viel moderater ausfallen als heute, denn dann geht es ja um die eigenen Profite.

Auf welcher Seite stehen wir?

Das Management der Content-Industrie, das heute so lautstark die Beachtung der Urheberrechte einfordert, braucht nach seiner Eingemeindung durch die Plattform-Industrie wahrscheinlich gar nicht gewechselt zu werden, denn es wird sich den neuen Eigentümern schneller anpassen als wir denken können. Die Blutsbrüderschaft zwischen King Kong und Godzilla wird aber unangenehme Internet-Monopole erzeugen, die den Nutzern am Ende mehr schaden als die heutige Konkurrenzsituation. Dies sollten die Netz-Experten bedenken, die mit ihrer Forderung nach einem „zeitgemäßen“ Urheberrecht glauben, sie würden reinen Herzens die Interessen der Nutzer vertreten, während sie doch (vielleicht ohne es zu wollen) die Interessen von Plattform-Giganten bedienen. Und die Gewerkschafts-Experten, die reinen Herzens dem Rechtebesitz und der Rechtedurchsetzung der Content-Industrie das Wort reden, sollten sich im Klaren darüber sein, dass es der Content-Industrie nicht um den Schutz der Urheber geht, sondern um den Schutz der umfassenden Nutzungsrechte, die die Urheber an sie abtreten mussten.

Update 24.1.: Im dradio spricht Till Kreutzer über den „Kampf der Kulturen“ und darüber, dass sich King Kong und Godzilla mal zusammensetzen sollten (wg. Blutsbrüderschaft?)

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10 Kommentare

  1. Kaue da seit ein paar Tagen drauf rum und kam bisher zu keinem Schluss, aber das hier wäre möglich. Hatte nicht weit genug gedacht.

  2. Komisch – als Walter Boehlich und andere den ‚Verlag der Autoren‘ gründeten, als Schauspieler in den USA die ‚United Artists‘ auf die Beine stellten, da wussten diese Leute noch präzise, wo die ‚Urheberrechte‘ zu suchen und zu finden sind.

  3. @vera: Sowohl die Nutzer der Plattformen als auch die Urheber der Content-Industrie müssen heute sehr weitgehende „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ unterschreiben.
    http://www.wolfgangmichal.de/?p=329

    @Klaus: Empfehle Katie Melua „Mary Pickford“.

  4. Schade nur, dass ohne Godzilla der Kampf gegen King Kong derzeit unmöglich ist, weil keine Giganten neben den beiden anerkannt werden. Und der Kampf gegen beide Monster ist zum jetzigen Zeitpunkt erst recht unmöglich, wenn man schon einen der beiden nciht klein bekommt. Daher bleibt dem engagierten Bürger derzeit leider keine andere Möglichkeit, als sich Godzilla anzuschließen. Der kämpft zum jetzigen Zeitpunkt m. E. ohnehin noch um einiges fairer.

  5. Gute Analyse. Ich frage mich schon die ganze Zeit, wo ich mich als Autor da positionieren soll. Ich habe Selbstverlag schon vor 14 Jahren begonnen und auch mit Erfolg – aber wenn man sich auf das Schreiben konzentrieren will (und nicht mit Lektorat, Vermarktung etc. seine Zeit verbringen will, dann ist die Zusammenarbeit mit einem guten Verlag (King Kong) einfach besser- von King Kong fühle ich meine Arbeit mehr geschätzt als von Godzilla, dem Content-Klau u. ä. völlig egal ist bzw. ihn als Fortschritt propagiert – denn Godzilla macht Geld mit beidem – möglicherweise mit dem Plagiat sogar mehr.

  6. @Eva: die frage ist hier, ob die Maßnahmen, die King Kong umgesetzt haben will, dir irgendetwas nutzen. Gehst du wirklich davon aus, dass irgendeine der Überwachungsmaßnahmen dir mehr Geld oder irgendwie gerechteres Geld einbringen?

    Wenn nein, dann bist du zwar auf King Kong angewiesen – kannst aber trotzdem gegen die Maßnahmen sein, die King Kong in deinem Namen fordert.

  7. Eine kleine Anmerkung:
    Es geht nicht nur um die größten Umsätze – viel wichtiger und entscheidender: Es geht um die größten Gewinne.
    Da bei der Produktion eines Liedes, Filmes, oder eines Buches die Stückkosten je verkaufter Einheit stetig sinken, kommt es irgendwann zu dem Punkt, an dem die Stückkosten nahezu NULL sind. Dies bedeutet dann Umsatz = Gewinn!

    In keiner anderen Industrie gibt es dies. Die Contentindustrie weigert sich jedoch die mit diesen gigantischen Gewinnmargen einhergehenden Risiken einzugehen – schließlich kann das Produkt auch ein „Flop“ werden. Dann bleibt nichts als Kosten.

  8. @ Alf: Die Kosten eines Buches sind für einen Verlag weit mehr als die Druck- und Materialkosten: Da sind die Lektoren, Gestaltung von Text und Umschlag, Marketing, Vertriebsmitarbeiter, Messen, Kataloge, Texter, Korrektorat, Auszubildende zu bezahlen …

    @ Icarus: Ja, ich glaube, dass es mir mit der Wahrung des Urheberrechts und der konsequenten Umsetzung besser geht als ohne. D. h. nicht, dass ich mit allem einverstanden bin, was die neuen Gesetzesvorschläge beinhalten, aber im Grunde bin ich dafür, dass Eigentum nicht gestohlen werden darf – und das dass auch Internetplattformen nicht ignorieren dürfen (eine Kneipe würde auch geschlossen werden, wenn sie zum Drogenumschlagplatz mutiert). Und wenn du ein Buch kaufst, dann darfst du es lesen und auch Freunden ausleihen, aber nicht kopieren und selbst verkaufen. Und wenn dir ein Bild gefällt, dann darfst du es angucken und anderen zeigen, aber nicht in deine kommerzielle Homepage einbauen. Das finde ich richtig, denn ein Fotograf macht tausend Bilder von denen drei so großartig sind, dass er dafür Geld bekommt – wenn ihm diese geklaut und vervielfältigt werden, dann hat er nichts. Ein Autor schreibt über vieles, was wichtig ist, aber zu dem Zeitpunkt noch niemanden interessiert – und wenn er dann mal den richtigen Wurf zur richtigen Zeit in einem Verlag getan hat, der das auch an die Leser bringt, dann sollen nicht andere daherkommen dürfen, das Buch kopieren und damit Geld verdienen und seine Einnahmen dadurch verkleinern. Ein Freiberufler oder Künstler ist eben nicht der in diesem Zusammenhang oft zitierte Straßenarbeiter, der ja auch nur einmal bezahlt wird für die Straße. Der Straßenarbeiter hat einen festen Job, da fließt jeden Monat Geld auf sein Konto. Ein Freiberufler oder Künstler denkt, lernt, probiert und arbeitet viel – bekommt aber nur selten Geld – z. B. auch von der Verwertungsgesellschaft Wort (die schüttet aus, was über die geringen Aufschläge auf Drucker – die ja auch dazu genutzt werden, Texte zu vervielfältigen, so dass man sich nicht das ganze Buch kaufen muss) reinkommt – ich finde das nur gerecht – es zahlt mir als Autor die Miete … für ca. 1 Monat des Jahres.

    Bei all den Diskussionen zum Urheberrecht muss man aber auch zwischen amerikanischem und deutschem Urheberrecht unterscheiden und das auch für die verschiedenen Branchen (Musik, Wort …) differenzieren.

  9. @Eva Schumann Freie Autoren und Nutzer von Social Media Plattformen werden gleichermaßen gezwungen, endlos lange, kleingedruckte AGB-Klauseln zu unterschreiben. Die Abtretung von Nutzungsrechten ist der entscheidende Punkt. Hier müssen sich Urheber gegenüber beiden Seiten positionieren. Was – zugegeben – verdammt schwer ist.

  10. da brauch man gar nicht so weit in die zukunft schauen, dass hat es schon in der vergangenheit gegeben. wie das dann aussieht können wir uns bei sony anschauen. sony hat ende der achtziger cbs records gekauft, weil dies der größte widersacher um die einführung von dat(digital audio tape) war.
    die contentindustrie im eigenen haus hat sony letztendlich das genick gebrochen.

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