Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Vorzugskredite für Banken. Über das wahre Ausmaß der Freunderlwirtschaft

1. Januar 2012, 18:03

Während sich die Kleinkrämer unter den Kommentatoren noch darüber aufregen, dass sich die Adabeis der Gesellschaft zinsgünstige Kredite sichern, klotzt die EZB mal eben eine halbe Billion Euro zu Vorzugskonditionen in den Markt.

Gut, es war nur ein Traum. Ich betrat die Bank meines Vertrauens und sagte zur netten Kundenberaterin: Nette Kundenberaterin, mich beschleicht so ein leises Gefühl, dass meine Freunde, die zur Zeit etwas klamm zu sein scheinen, dringend frisches Geld benötigen. (Christine Lagarde, sagte ich, hätte mir das geflüstert.) Ich möchte meinen Freunden aber kein Geld mehr leihen, weil ich es eventuell nicht mehr zurück bekomme und sicher auch bald für mich selber brauche: als Rücklage für schlechtere Zeiten. Da sagte die nette Kundenberaterin: Machen Sie sich mal keine Sorgen, Herr Michal, wir schütten einfach ein paar Milliarden an Sie und Ihre Freunde aus, zu einem sensationell niedrigen Zins, dann können Sie und Ihre Freunde sich ohne Bedenken wieder untereinander vertrauen. Und wenn Sie den Leuten dann Geld leihen – sagen wir zu drei oder vier Prozent Zinsen – dann machen Sie sogar noch ein gutes Geschäft dabei. Ohne Gegenleistung. Einfach so.

So leicht ist Geldverdienen heute in Europa (für bestimmte Kreise): In der hektischen und nachrichtenarmen Vorweihnachtszeit, als viele Bürger weder Zeit noch Lust hatten, sich über system-relevante „Begünstigungen im Amt“ zu erregen, schob die freundliche (italienisch geführte) EZB mal eben Billig-Kredite in Höhe von 489 Milliarden Euro über den Tresen und sagte zu ihren (italienischen) Freunden: Liebe Freunde der italienischen Oper, es ist ja bald Weihnachten, bedient euch. Und die Freunde der italienischen Oper bedienten sich. Sie stopften sich die Taschen mit dicken Geldbündeln voll, denn der von der EZB verlangte Weihnachts-Zins betrug (!) nur lächerliche 1 Prozent!!! Wäre Christian Wulff da mal eher drauf gekommen, dann hätte er nicht diese Horrorzinsen von 2,1 Prozent für seinen „rollierenden Geldmarktkredit“ an die freundliche BW-Bank zahlen müssen (oder – wie ich – 16,5 Prozent Dispo-Zins bei meiner freundlichen Volksbank).

Der Unterschied – wir wissen’s längst – liegt in der Größenordnung. Die Größenordnung ist sakrosankt, und kein Politiker hat es in den letzten drei Jahren vermocht, an der Größenordnung auch nur zu rütteln. Finanzmarktregulierungen? Ich bitte Sie! Eher werfen die europäischen Regierungen ihr Europaprojekt auf den Müllhaufen der Geschichte als die wahre Größe einer Bank anzuzweifeln. „Too big to fail“ braucht keine Regeln, es setzt sämtliche Regeln außer Kraft. Sonst fliegt uns alles um die Ohren, sagen die Finanzexperten. Und die müssen es ja wissen. Also wird seit drei Jahren nach dem gleichen (japanischen) Rezept verfahren: Noch mehr Geld in die Finanzmärkte pumpen, zu einem noch niedrigeren Zinssatz. Das nützt niemandem – außer den Banken. Die nächste Geldverschwendung auf Staatskosten, pardon, die nächste Rettungsaktion wird dann wohl lauten: 5 Billionen Euro zu 0,25 Prozent Zinsen auf fünf Jahre. Höchstwahrscheinlich geht es dann um Frankreich. Nimmt jemand schon Wetten entgegen!?

Es gibt – sagen die meisten Experten – keine Alternative zur systemimmanenten Freunderlwirtschaft: Die Banken leihen sich von der EZB Geld zu einem Zinssatz von 1 Prozent und kaufen damit Staatsanleihen, die drei oder sechs oder acht Prozent Rendite abwerfen. Ein echtes Risiko besteht bei diesem Geschäft nicht, denn die Bürger Europas garantieren den Zinsgewinn der Banken dadurch, dass sie die „Sparanstrengungen“ ihrer nationalen Regierungen (in Form von Mehrwertsteuer-Erhöhungen, Renten- und Sozialkürzungen) akzeptieren. Was bankseits für die Staaten teurer wird (= höhere Staatsverschuldung), wird auf Bürgerseite durch Steuererhöhungen und Einsparungen wieder hereingeholt. Die Banken wissen also: Ihre überteuerten Kredite werden auch dann zurückgezahlt, wenn dafür eines Tages acht, zehn oder zwölf Prozent Zinsen fällig werden. Notfalls müssen halt die Kinder und Kindeskinder der Bürger die Zeche bezahlen. Das heißt: Die nette EZB beteiligt sich mit ihrer Billigkredit-Schwemme aktiv an der Plünderung der Einkommen und der Ersparnisse der Bürger und schenkt den befreundeten Banken leistungslose Gewinne anstatt den Staaten (und damit uns allen) das Geld direkt für 1 Prozent Zins zu leihen.

Diese systemrelevante Freunderlwirtschaft steht allerdings nicht wochenlang in den Schlagzeilen (wie der böse Wulff), und keine Heerschar von Kommentatoren arbeitet sich an der verqueren Moral der Bankenalimentierung ab. Moral taugt hierzulande nur für begreifbare Beträge. Bei einer halben Billion Euro schaut man nicht mehr so genau hin.

P.S. Gewiss werden mir besonders kluge Köpfe jetzt vorwerfen, ich würde Äpfel (EZB-Kredite) mit Birnen (Wulff-Kredite) vergleichen. Da ich dieses Argument für ziemlich billig halte, verleihe ich es zu Sonderkonditionen von 0,1 Prozent an jedermann. 

Update 2.1.: Andere Häuslebauer fragen inzwischen die BW-Bank, warum sie nicht auch so supergünstige Kredite bekommen wie der Christian Wulff. Damit bekommt die Empörung eine sinnvolle ökonomische Dimension. 

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6 Kommentare

  1. Sie haben vergessen die Begründung für das seit Jahrzehnten stattfindende Verfahren zu geben. Diese Begründung ist noch kurioser als alles Gemauschel drumherum. Man rechtfertigt dieses damit, dass der Staat, wenn er die Kredite nicht über den Umweg der Banken und die damit verbundenen höhere Zinslast, in eine Art „Kreditrausch“ verfällt und nicht mehr aufhört zu prassen. Also die Politiker trauen sich selbst nicht und schalten Bänker dazwischen u. der Steuerzahler muss die Mehrkosten zahlen. Krank…! Mal ganz davon abgesehen, dass man Mechanismen dagegen einsetzen könnte.

  2. Top-Posting am o1.01., sollte Pflichtlektüre der Politker werden. Ist für jederman verständlich…

    ———–
    Trotz dieser nervigen Krisenuntergangsstimmung, die ich in diesem Jahr mental ignorieren möchte, ist ja sonst nicht auszuhalten: Ein frohes Neues!

  3. @ Kehraus

    Sie sagen es! Die Begründung ist lächerlich, meist wird ja zusätzlich noch das Inflationsgespenst an die Wand gemalt. Wie Sie schon angedeutet haben, es gäbe ja eine einfache Begrenzungsmöglichkeit, nämlich die 3-Prozent-Neuverschuldungs-grenze aus den Maastricht-Verträgen. Aber um Himmels Willen! Verträge einhalten und den Banken das Geschäft verderben? Wäre doch furchtbar, nicht wahr 😉

    Abschließend noch ein passendes Zitat von Thomas Edison, was den ganzen Schwachsinn, den unser BUBA-Chef Weidmann als alternativlos darstellt, für jedermann verständlich als große Volksver……. entlarvt:
    „Es ist absurd zu sagen, dass unser Land zwar 30 Mio. Dollar als Anleihen herausgegeben hat, aber nicht 30 Mio. $ als Währung. Beides sind Zahlungsversprechen, aber die eine Option mästet den Wucherer und
    die andere hilft dem Volk. Wenn die Währung, die von der Regierung herausgegeben wird, wertlos wäre, wären es die Anleihen ebenso.“

    Dem ist absolut nichts hinzuzufügen.

  4. Danke für diese glasklare Erklärung, die den Zynismus der Euro-Mafia enttarnt. Das Bild vom „faulen Kredit“ bekommt hier eine in jeder Hinsicht neue Dimension.

    Ist es eigentlich strafbar, hier zum Steuerboykott aufzurufen? Da die Demokratie ja gerade abgeschafft wird, scheint mir dies die einzig verbleibende Möglichkeit zur Gegenwehr.

  5. Ich wundere mich seit langem warum diese Tatsachen in den Medien, wenn überhaupt, dann ganz selten mal verbreitet werden. Man sollte ehrlicherweise zwar dazusagen, dass es die deutschen und europäischen Bürger/Wähler/Steuerzahler selber zu verantworten haben, wenn sie sich solche Regelungen gefallen lassen ohne etwas dagegen zu unternehmen, und nun die finanziellen Folgen zu tragen haben.
    Die Frage deren Antwort mir aber auch in diesem Artikel fehlt, die entscheidnede Frage lautet doch: Wer genau hat die Macht diese Ordnung der Dinge zu ändern? Und wer verhindert das?
    Stinkt das nach Merkels, oder stinkt das nach den Asmussens dieses Landes?

  6. Habe selten eine so leicht verständliche und einleuchtende Analyse der sog. Schuldenkrise, die in Wahrheit eine von den Banken verursachte Krise ist, gelesen.
    Dem Autor sei Dank! Der Artikel gehört als Postwurfsendung an alle Haushalte geschickt, damit das Wahlvieh endlich begreift, was wirklich Sache ist. Ob Merkel dann 2013 nochmals Bundeskanzlerin wird?

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