Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Es ist Zeit für ein Netzmedien-Fördergesetz

14. März 2012, 12:27

Vor ziemlich genau 50 Jahren hatten die jungen deutschen Filmemacher die Nase voll von der Selbst-Lähmung des deutschen Films. Die herrschenden Strukturen ermöglichten nur noch seichte Produktionen (Edgar Wallace, Karl May, Heimat- und Schlagerschnulzen), der Anteil deutscher Qualitätsfilme in den „Lichtspieltheatern“ ging immer weiter zurück. Der deutsche Film war auf seinem kulturellen und wirtschaftlichen Tiefpunkt angelangt.

Deshalb taten sich eine Handvoll ehrgeiziger junger Filmemacher zusammen (sie hießen Schlöndorff, Wenders, Herzog, Hauff, Reitz, Kluge, Fassbinder, Bohm oder Geißendörfer), verfassten geharnischte Erklärungen zur desolaten Lage der Branche (Oberhausener Manifest, später Hamburger Erklärung) und forderten eine zukunftsweisende öffentliche Förderung für zeitgemäße alternative Projekte. Selbstbewusst vertraten sie den Neuen Deutschen Film, auf dessen Langzeitwirkungen wir noch immer stolz sein können.

Im Netz finden wir derzeit eine ähnliche Situation vor wie zu Beginn der sechziger Jahre. Viele unabhängige Webseiten darben und werden aufgrund ihrer mangelnden Finanzierung billiger und seichter oder verschwinden ganz vom Markt. Gleichzeitig drängen die überkommenen oligarchischen Medienstrukturen immer stärker ins Netz. Kleine, unabhängige Netzmedien können in dieser Zwickmühle nicht wirklich erfolgreich sein, obwohl sie das kreative Potential zur Erneuerung und Erweiterung der Netzöffentlichkeit haben. Es wäre für die entstehende digitale Gesellschaft fatal, die weitere Entwicklung nur dem (vermachteten) Markt, also den großen internationalen Geräteherstellern, den Medienmischkonzernen und den globalen Plattformbetreibern zu überlassen.

Deshalb sollten sich die unabhängigen Blogs, die Online-Magazine, Autoren-Plattformen, YouTube-Filmer und Webkünstler ein Vorbild an jenen Filmemachern der sechziger Jahre nehmen und eine öffentliche Förderung unabhängiger deutscher Netzmedien fordern. Voraussetzung wäre, dass sie ihr gemeinsames Anliegen und dessen Dringlichkeit erkennen und eine hinreichende Organisationsfähigkeit an den Tag legen. Dies war auch damals die Voraussetzung: Die nicht gerade zu Organisation und Gremienarbeit neigenden Filmemacher taten sich zusammen, obwohl weder Schlöndorff noch Wenders noch Fassbinder noch Hauff große Lust auf Vereinsmeierei hatten. Sie wollten „eigentlich nur Filme machen“.

Im Wendejahr 1968 trat dann das erste bundesdeutsche Filmförderungsgesetz (FFG) in Kraft. Es bildete die rechtliche Grundlage für die Einrichtung einer Filmförderungsanstalt (FFA). Diese – eine Bundesanstalt des Öffentlichen Rechts – wurde ermächtigt, von den Filmtheaterbetreibern, den Videoprogrammanbietern und den Rundfunkanstalten eine Filmabgabe zu erheben, aus deren Mitteln förderungswürdige Produktionen bezuschusst wurden. Besonders wichtig war in diesem Zusammenhang das Film- und Fernsehabkommen von 1974, das die Filmförderung seitens der Rundfunkanstalten ausbaute und verstetigte.

Doch schon bald setzten sich erneut (mit Hilfe des damaligen Innenministers Friedrich Zimmermann) die überkommenen Strukturen durch, und ein Großteil der Fördermittel floss an den unabhängigen Filmemachern vorbei in die Produktionstöpfe der Etablierten.

Also rotteten sich die (nicht mehr ganz so) jungen Filmemacher wieder zusammen und gründeten regionale Filmbüros als eingetragene Vereine, etwa das Filmbüro Hamburg oder das Filmbüro Nordrhein-Westfalen. Aufgrund der intensiven Lobbyarbeit der Büros beschlossen die Landesparlamente schließlich eigene, vom Bund unabhängige kulturelle und wirtschaftliche Filmförderungsmaßnahmen.

Aus diesen beiden Strängen – den privaten Initiativen (Filmbüros) und den parlamentarischen Reaktionen (Filmfonds) – erwuchsen Tochterfirmen, die z.B. städtische Filmfestivals ausrichteten und Gelder an Filmemacher ohne komplizierte Bürokratie verteilten. Auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten beteiligten sich nach und nach an der regionalen Förderung.

Mit der erfolgreichen Filmförderung als Vorbild ließe sich heute ein „Netzmedien-Fördergesetz“ (NFG) entwickeln, das Provider, Speichermedienhersteller und Rundfunkanstalten verpflichtet, die Entwicklung innovativer, unabhängiger und qualitativ hochwertiger Netzmedien zu fördern. Auf der regionalen Ebene könnten „Netzbüros“ und „Netzfonds“ diese Aufgabe übernehmen und/oder ergänzen. Denn eins ist sicher: Die gesellschaftlich erwünschte Vielfalt der Kultur braucht andere Startbedingungen als sie heute auf dem weitgehend freien vermachteten Markt vorzufinden sind.

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7 Kommentare

  1. in der theorie mag das ja ganz nett klingen. aber ich weiß nicht ob sie sich mal praktisch mit dem thema kulturförderung beschäftigt, also antragsformulare ausgefüllt, anträge geschrieben und den ganze damit verbundenen bürokratischen aufwand betrieben haben.
    ich kann ihnen versichern auch das ist keine garantie dafür das insbesondere kleine und unabhängige projekte gefördert werden.
    tendentiell sind es auch hier wieder die großen leuchtturmprojekte die zum renome der fördernden institution beitragen.
    gewonnen ist dadurch wenige, es entsteht lediglich ein anders strukturierter markt in dem ganz wunderbar klüngelei und vetternwirtschaft gedeien.

    ich für meinen teil möchte um ehrlich zu sein nicht noch mehr gesetze, förderinstrumente und eingriffe seitens des staates, mögen sie noch so gut gemeint sein.

    eventuell wäre ich für eine verbesserung der möglichkeit solche projekte ganz individuell besser steuerlich absetzen zu können. so dass man etwa das zeitliche engagement in einem blog als werbungskosten oder ähnliches geltend machen könnte. in so etwas sehe ich potential und da müssen auch keine neuen institutionen geschaffen werden.

    mit freundlichen grüßen
    fk

  2. Ja, schön wär’s. Aber es würde bedeuten, dass sich – zumindest am Anfang – Einer die rote Mütze aufsetzt. Die Reaktionen auf solche Kopfbedeckungen konnten wir bei der Gründung der DigiGes erleben.

    Es gibt auch kein gemeinsames Ziel wie Filme machen, das vereinend wirken könnte. Jeder trägt ein großes Plakat vor sich her, auf dem steht „ich bin Individualist“. Gemeinsamkeiten, kleinste gemeinsame Nenner, werden aus falsch verstandener Unabhängigkeit negiert. Die nötige kritische Masse für ein solches Modell zu gewinnen, halte ich für ausgeschlossen, und es staatlichen Stellen (z.B. dem einzigartigen Bernd Neumann) zu überlassen, für idiotisch.

    Wie wolltest du, falls es doch zu einer Selbstorganisation käme, die Mittel verteilen? Noch eine VG gründen? Wer sollte das entscheiden?

    Es reicht ja nicht mal für eine einfache Interessenvertretung im Fall einer realen Gefahr wie Abmahnungen …

  3. Wenn es im Netz um öffentliche Förderung geht (um Geburtshilfe für Neues also – wie z.B. beim sehr erfolgreichen Erneuerbare-Energien-Gesetz), kommen sofort die Anti-ÖRs und die Bedenkenträger und die Angsthasen und polemisieren gegen „Bürokratie-Monster“ „Zwangs-GEZ“ u.ä. Es sind die üblichen Anarcho-Egoisten.
    Hatten die Filmemacher damals Angst vor Bürokratie? Standen Sie im Verdacht, nur auf die Kinoliebe ihres Innenministers zu hoffen? Nein, sie wollten bessere Filme machen, und sie haben selbstbewusst ihre Interessen angemeldet. Und das war auch gut so. Ich denke, da entwickelt sich was.

  4. sehr geehrter herr michal,

    ich habe versucht zu erläutern warum ich solche vorhaben nicht zwangsläufig für zielführend halte, habe im übrigen auch erklärt, was ich als sinnvoller erachten würde (die regelung über die steuerliche absetzbarkeit). dass ich von ihnen als bedenkenträger und angsthase abgekanzelt werde, nur weil ich ihre meinung aufgrund der erfahrungen im bereich kulturförderung nur begrenzt teile, finde ich etwas seltsam.

    grundsätzlich halte ich ihren vorschlag ja nicht für völlig verkehrt. sicherlich müsste man darüber nachdenken wie man mit den neuen medien umgeht, auch im bereich der förderung. es ist aber nicht unbedingt so, dass man dafür wieder eine reihe neuer institutionen schaffen muss, man kann auch innerhalb der bestehenden agieren.
    das kulturamt der stadt düsseldorf zb fördert unser projekt http://www.perisphere.de dankenswerterweise aus dem kulturetat. auch wenn es zugegeben nicht einfach war ein solches projekte im dortigen kulturbeirat zu verargumentieren, aber auch das ist kulturarbeit.

    ihr post hat mich aber zum nachdenken gebracht und da ich ende des monats sowieso im düsseldorfer landtag zu gast bin und just zu dem thema – ausgestaltung des kulturfördergesetztes nrw – sprechen und diskutieren werde, könnte man ja durchaus mal eine position formulieren und dort als impuls einbringen. da muss man einfach mal drüber nachdenken was man dort lassen kann.

    mit freundlichen grüßen
    fk

  5. @fk Sorry, Sie sind natürlich weder Angsthase noch Bedenkenträger, aber die Sorge vor der Bürokratie kommt im Netz immer so reflexhaft, wenn es um Förderung geht. Ihren Vorschlag, über Steuererleichterungen zu gehen, finde ich sehr diskutabel, nur machen kleinere Netzmedien kaum Gewinne. In der Startphase ist direkte Förderung sinnvoller und führt rascher zu Ergebnissen. Auch ein Mix wäre vorstellbar.

  6. hallo herr michel,

    schwamm drüber, wo gehobelt wird da fallen spähne.
    eventuell ist es wirklich mal an der zeit das thema auch noch stärker in den bereich der medien- und kulturförderung einzubringen, denn dort würde es meiner ansicht nach hingehören.
    wie gesagt, wenn es gelingen würde, die bestehenden strukturen für den wandel in der medienlandschaft entsprechend zu sensibilisieren wären eventuell auch schon etwas erreicht.
    wenn man die dinge allerdings richtig neu denken will, wie von ihnen im artikel vorgeschlagen, sollte man meines erachtens auch den bereich der fördermittelvergabe mitdenken.

    bezüglich der mangelnden gewinne bei kleineren netzmedien haben sie natürlich recht. ich beobachte in meinem umfeld aber, dass etwa blogs oder andere projekte oftmals durch andere tätigkeiten quersubventioniert werden. das prinzip gilt ja eigentlich generell für tätigkeiten im kulturbereich.
    wenn ich nun in der lage wäre bsp die tätigkeit des bloggens steuerlich absetzen zu können, wäre ja schon mal einiges gewonnen.
    ähnliches wäre etwa möglich wenn ein gemeinnütziger verein ein webprojekt betreiben würde und für die erbrachten leistungen dritter spendenquittungen ausstellen könnte.

    aber wie von ihnen bereits gesagt, ein mix wäre eventuell das sinnvolste.
    man sollte hier weiter nachdenken.

    mfg
    fk

  7. Der Vorschlag klingt zunächst gut, ich halte aber trotzdem nicht viel davon. Ganz einfach deshalb, weil wirklich kritische Seiten bzw. Blogs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durchs staatstragende Raster fielen, hiemit leer ausgingen.
    Nungut, könnte man sagen, wenn Du für Deinen Blog anstatt nichts nix kriegst, aber andere immerhin was, kann es Dir doch auch egal sein, Du es immerhin den Kollegen gönnen. Das kann ich aber so nicht sehen. Denn dann darf ich über jedwede Abgabe – sei es auch nur die 7% Mehrwersteuer aufs Brot – den Hohn alimentierter Systemtreuer auf meine Tätigkeit nochmal erst recht mitfinanzieren.
    Das brauche ich nun wirklich nicht.

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