Warum Mandy ihr Studium bei Götz George mit Dollars bezahlen soll und die Wölfe im Krieg gegen den IS-Terror per Brandbrief zur Deeskalation aufgefordert werden.
Der Branchendienst Meedia verschickt netterweise die Titelseiten deutscher Tageszeitungen per Newsletter. Anhand dieser Seiten kann man auf beeindruckende Weise sehen, wie willkürlich Zeitungsredaktionen ihre Aufmacherthemen gestalten, wie subjektiv sie die Nachrichten für ihre Leser gewichten. Hier ein kurzer Überblick über die Aufmacher-Schlagzeilen von heute:
Bild: „Özil und Mandy. Alles aus?“
Faz: „Merkel fordert Moskau zur Deeskalation in der Ukraine auf“
Die Welt: „Länder fordern vom Bund mehr Geld für Flüchtlinge“
Handelsblatt: „Dollar. Das Comeback“
SZ: „Akademiker sollen fürs Studium zahlen“
taz: „Des Müllers neue Kleider“ (gemeint: der Entwicklungshilfeminister)
Neue Westfälische: „Westfalens Ärztepräsident schließt Sterbehilfe nicht aus“
Berliner Morgenpost: „Brandbrief an Senatorin: Schulleiter warnen vor Scheitern der Inklusion“
Berliner Kurier: „Götz George wirft hin!“
Hamburger Abendblatt: „Uni-Präsident löst Kopfschütteln im Rathaus aus“
Hamburger Morgenpost: „Empörung über Harburger Schäfer: Schießt die Wölfe ab!“
Kölner Express: „Kölner Rocker im Krieg gegen IS-Terror“
Rheinische Post: „Neue Ebola-Verdachtsfälle in Europa“
Am häufigsten findet sich das BGH-Urteil zur Sterbehilfe unter den Aufmachern. Früher wäre das selbstverständlich gewesen. Aber die Themenpalette selbst der seriösen Presse ist heute beachtlich breit.
Was sagt uns das über den inneren Zustand der Köpfe der Nachrichten-Journalisten? Oder über den der Leser? Nur die wenigsten werden ja alle Zeitungs-Aufmacher zur Kenntnis nehmen. Also kommt es – je nach Region und Abonnement – zu ganz unterschiedlichen (Gesprächs-) Themenprägungen. Götz George oder Ebola. Dollar oder Flüchtlinge. Mandy oder Sterbehilfe.
Nein, das ist kein Plädoyer für einheitliche Themenaufmacher. Die zitierten Schlagzeilen sollen nur zeigen, dass die Nachrichtenchefs der Zeitungen mit willkürlichen Auswahlkriterien arbeiten. Diejenigen, die sich gern damit brüsten, den Lesern Orientierung in der Nachrichtenflut zu verschaffen, sind in Wahrheit ebenso desorientiert. Denn die Zeitungen, das wird durch das verstärkte Setzen der Medien aufs Wochenende immer deutlicher, sind keine Nachrichtengewichter mehr, sondern Unterhaltungsmagazine mit eingebautem Gruseleffekt. Die Titelseite hat ihre Funktion komplett verändert. Nicht das Wichtigste steht vorn, sondern ein zielgruppen-erprobtes Lese-Lockmittel. Anspruchsvollere Leser müssen sich ihre Nachrichtengewichtung im Internet selbst zusammenbasteln.
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