Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Zwei Jahre nach Snowden – Warum sich die Überwachungskritik im Kreis dreht

9. Juni 2015, 15:15

Seit zwei Jahren empören wir uns über die Schnüffelei der Geheimdienste. Ohne Erfolg. Weil wir an den Symptomen ansetzen und nicht an den Ursachen.

Am 6. Juni 2013 veröffentlichten der Guardian und die Washington Post die ersten Dokumente aus dem Snowden-Leak. Der weltweite Überwachungsskandal kam ins Rollen.

Doch zwei Jahre danach ist es höchste Zeit, dass sich die Kritiker von NSA und BND einmal ehrlich machen. Denn ihre Kritik funktioniert so nicht. Die Berichterstattung über den Abhör-Skandal führt weder zu einer besseren Kontrolle der Geheimdienste noch zu einer Abrüstung der Überwachungsmaßnahmen. Im Gegenteil. Die Erfahrung, dass Kritik zu nichts führt, fördert ein resignierendes Achselzucken gegenüber dem weiteren Ausbau der Überwachung, der Aufrüstung von Polizei und Geheimdiensten, der juristischen Schließung von „Straflücken“ und dem tapferen Bemühen einiger Parlamentarier, Netzpolitiker und Journalisten, Licht ins Dunkel der Überwachungs-Praxis zu bringen. Denn man drückt sich – so mein Eindruck – vor den Themen, die der Überwachung zugrunde liegen. Man diskutiert über die Symptome und klammert die Frage aus, warum es in Sachen Überwachungs-Abrüstung keine Fortschritte gibt.

Die Bevölkerung spürt die Aussichtslosigkeit der Kritik

Vielleicht will man die Gründe der Überwachung nicht diskutieren, weil man fürchtet, zum politischen Außenseiter zu werden oder in unangenehme politische Nachbarschaft zu geraten. Wer die Gründe thematisiert, ist im gegenwärtigen politischen Klima schnell ein Putin- oder Islamisten-Versteher. Also tut man lieber so, als sei die Überwachung der Gesellschaft „anlasslos“.

Diese zutiefst unpolitische Haltung verschafft den Überwachungs-Kritikern das angenehme Gefühl, als unparteiische Wächter der Demokratie aufzutreten. Einer Demokratie, die dem Bilderbuch des Sozialkunde-Unterrichts entstammt, aber nicht der politischen Realität. Deshalb findet der Glaube, die Überwachungspraxis allein mit Empörung beenden zu können, außer in den eigenen Reihen, kaum Resonanz. Im Gegenteil: Die fortgesetzten NSA- und BND-Enthüllungen – und die Reaktionen der Bundesregierung darauf – stoßen bei vielen Bürgern auf eine ausgesprochen ‚realistische‘ Einschätzung der Machtverhältnisse. Die Duldungsstarre der Bürger (und der Regierung) ist nichts anderes als die instinktive Abwehr aussichtsloser idealistischer Haltungen.

Trotzdem setzen die Kritiker der Überwachungs-Praxis auch zwei Jahre nach Snowden unbeirrt auf ihr unpolitisches Konzept. Man will den eigenen Beruf und den eigenen Aktivismus ja nicht in Frage stellen. Also redet man sich ein, dass man erst am Anfang der Skandal-Aufklärung stehe, anstatt die eigene, höchst eindimensionale Proteststrategie zu überdenken.

Die politischen Realitäten… 

Vor wenigen Monaten hielt der fast 93-jährige Politiker Egon Bahr (Beiname: „Architekt der Ostpolitik Willy Brandts“) eine Rede, die ausgesprochen nüchtern analysierte, worüber in Europa geredet werden müsste, wenn man ernsthaft versuchen wollte, das gegenwärtige Misstrauen abzubauen und militärisch und überwachungstechnisch abzurüsten.

Die Rede Egon Bahrs basiert zunächst einmal auf der Akzeptanz der politischen Realitäten (wobei Akzeptanz keinesfalls bedeutet, den Ist-Zustand zu billigen oder richtig zu finden).

Im Folgenden will ich die „Realitäten“ Bahrs etwas zuspitzen, damit deutlich wird, dass es die deutsche Überwachungskritik bislang nicht wagt, über den Tellerrand ihres Themas hinauszublicken. Diese politischen Realitäten lauten:

1. Die USA sind die Weltmacht Nr.1 und wollen es bleiben.

2. Das militärische Mittel, die Weltmacht Nr.1 zu bleiben, ist die Nato. Sie ist das von den USA geführte und kontrollierte Bündnissystem des Westens.

3. In der Nato ist die Souveränität der Mitglieder – mit Ausnahme der Führungsmacht USA – eingeschränkt. Die USA lassen sich das Recht einräumen, Truppen zu stationieren, wo immer sie es für richtig halten.

4. Die Militärdoktrin, die den Weltmachtstatus der USA sichert, heißt „War on Terror“. Unter dieser Bezeichnung führen die USA seit dem 11. September 2001 offene oder verdeckte Kriege gegen alle, die den Weltmachtstatus gefährden könnten oder nicht willens sind, die Politik der USA zu akzeptieren.

5. Die USA nehmen für sich in Anspruch, das System der westlichen parlamentarischen Demokratie mit Hilfe ihres gewaltigen Militär-, Polizei- und Geheimdienst-Apparates zu garantieren. Darüber hinaus sorgen die USA mit ihrer Wirtschafts- und Finanzmacht und ihren gewaltigen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten für materiellen Wohlstand und den dauerhaften wissenschaftlich-technischen Vorsprung des Westens.

6. Wer an diesen Errungenschaften partizipieren möchte (und wer wollte ernsthaft darauf verzichten?), muss die mit der Schutzmacht-Garantie verbundenen Verpflichtungen in Kauf nehmen, z.B. die Hinnahme begrenzter Souveränität, die Überwachung der Bevölkerung und die Beteiligung an den hohen Kosten des militärisch-industriellen Komplexes.

7. Wer die Notwendigkeit der Schutzmacht-Garantie bezweifelt und sich den auferlegten Verpflichtungen entziehen möchte, muss auch bereit sein, die Konsequenzen seines Handelns zu tragen.

8. In der deutschen Bevölkerung ist eine solche Bereitschaft nicht erkennbar. Auch nicht bei denen, die NSA und BND kritisieren. Denn angesichts der deutschen Geschichte der letzten 100 Jahre herrscht über die Westbindung der Bundesrepublik politisch weitgehend Konsens.

9. Die Abrüstung des militärisch-informationellen Komplexes wäre nur zu erreichen, wenn die Militärdoktrin des „War on Terror“ durch ein neues Konzept vertrauensbildender Maßnahmen abgelöst werden könnte. Dieses Konzept (Bahr nennt es „kooperative Existenz“) müsste auch den Abbau der weltweiten sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten und die Anerkennung anderer politischer Kulturen und Systeme beinhalten. Ein solcher politischer Richtungswechsel könnte nur gemeinsam mit der Mehrheit der US-Gesellschaft bewerkstelligt werden.

…und was eigentlich zu tun wäre

Die Europäer müssen endlich bereit sein, die Ablösung der Militärdoktrin „War on Terror“ auf die Tagesordnung zu setzen. Oder, wie Edward Snowden es formulierte: Wir brauchen eine „Post-Terror-Generation“; eine Generation, „die eine Weltsicht ablehnt, die durch eine einzige Tragödie definiert wird.“ Diese Post-Terror-Generation muss eine politische Alternative entwickeln, denn ohne sie wird es auch keine Abrüstung bei den Überwachungsmaßnahmen geben. Eine Verknüpfung der Überwachungskritik mit der Kritik der gegenwärtigen Machtpolitik (wie sie in Ansätzen von der amerikanischen Plattform Intercept praktiziert wird) ist deshalb unerlässlich. Ohne diese Verknüpfung dreht sich der netzpolitische und mediale Diskurs auch im dritten Jahr nach Snowden im Kreis.

Siehe auch: Warum ist unsere Haltung zum NSA-Skandal so unpolitisch? sowie: Zwei Jahre nach Snowden (eine Debatte des Chaosradio mit Anne Roth, Marcus Richter, Andre Meister und Linus Neumann)

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8 Kommentare

  1. Sehr interessanter Artikel, war mir alles nicht so bewusst.

    Ich habe mich immer gefragt, warum die Politik so vehement die VDS einführen will, wenn sie dafür letzlich keine gültigen Argumente (Effektivität der Maßnahme hinsichtlich Terrorabwehr und der Abwehr oder Nachverfolgung schwerster Straftaten, Notwendigkeit der Maßnahme etc.) vorweisen kann.

    Ist das jetzt eine Verschwörungstheorie, wenn ich vermute, daß es in Wirklichkeit die Amerikaner sind, die die VDS bei uns einführen lassen? Und unsere Regierungsvertreter erzählen uns bewusst irgendwelchen Quatsch, damit wir es hinnehmen?

    Überwachung akzeptiere ich um überhaupt keinen politischen Preis. Ich bin erwachsen, ich muss nicht überwacht werden, von niemandem. Niemanden geht es etwas an, was ich google oder wo ich mich wann aufhalte, wen ich kenne. Niemand darf das abspeichern. Wenn ich so leben wollte, würde ich nach Nordkorea gehen. Oder gleich in den Knast.

  2. Natürlich ist das richtig, was da im Artikel steht. Dennoch kann man sich auch schon am Kopf kratzen.

    Nur eine Andeutung: es braucht keine Post-Terror-Generation. Axiome, Demokratie, Menschenrechte hängen nicht von der Terrorpanik ab. Im Gegenteil, die Terrorpanik muss als Mittel zur Machtausübung entlarvt und negiert werden. Jede Generation muss sich darüber hinaus ihre Demokratie frei selbst erarbeiten (dürfen).

    Was richtig ist, darf nicht davon abhängen, was falsch gemacht wird oder wurde. Wohl aber darf und sollte man aus Fehlern lernen.

    Ich hoffe, das widerspricht dem Artikel nicht…

    Was zu tun ist: Wir brauchen die Option der „privacy“ zurück. Ohne „Privat“ ist man nicht einmal frei, Wahlentscheidungen zu treffen. Selbstverständlich sind der Wunsch nach Macht(erhalt) und Geld letztlich der Grund für Kontrolle und Überwachung. Selbstverständlich wissen die NGOs und die GOs das.

    Der Schutz der Demokratie kann jedoch nicht durch undemokratische Mittel erreicht werden. Demokratie ist keine Verhandlungssache.

    Man muss der gegenwärtigen Machtpolitik die Mittel zur Kontrolle entziehen. Folglich sollten wir verschlüsseln. Verschlüsselung und Ende ist mit der NSA, mit der Telekom oder Vodaphone, die nachsehen wollen, ob der Kunde einen Stream schaut, ist Ende mit der VDS (das Tor-Netz wäre ein Mittel) und Big-Schnüffel-Data in Politik und Wirtschaft.

    Verschlüsselung und der Kopf ist frei, sich um die Demokratie zu kümmern. Die Reparatur des Netzes und der Kommunikation ist notwendige Bedingung. Die Reparatur des Netzes könnte sogar für neue Unternehmen mehr als lukrativ sein (…) Geheimdienste abzuschaffen nutzt alleine gar nichts. In diesem Fall bin ich sehr dafür, dass der „Markt das richtet“. Die Telekommunikationsfirmen könnten sich gerade wohl verdient selbst abschaffen.

    Verschlüsselung ändert nichts an der politischen Situation? Doch: der Macht (hier also jeder, der andere pauschal überwacht und Kommunikation mithört oder Kommunikationsverbindungen, Nutzerverhalten aufzeichnet und auswertet) werden die unlauteren Mittel ganz legal und legitim entzogen. Entscheidungen und Diskussionen werden wieder frei und unbeobachtet.

    Verschlüsselung ist die Verhaltenstherapie (die ebenfalls nicht direkt immer Ursachen angeht) für die Gesellschaft. Freie Wahlen sind schließlich auch nicht umsonst geheim und unbeobachtet. Wir haben die Mittel dazu. Wir sollten sie nutzen.

  3. @Joachim
    „Demokratie ist keine Verhandlungssache“? Das meinen sie nicht wirklich, oder? Demokratie besteht aus nichts anderem als verhandeln, verhandeln und verhandeln. Darum geht es ja auch in der Bahr-Rede, die Michal hier – was selten genug geschieht – zur Lektüre empfiehlt. Und das ist es, was viele, sowohl ganz unten als auch „bei denen da oben“ nicht mehr beherrschen, weils sies entweder nie gelernt haben oder nicht lernen wollen. Wenn sich dieser Megatrend gesellschaftlich und global so fortsetzt, dann tschüs Demokratie!

  4. @Martin Böttger

    Nein, Demokratie selbst steht nicht zur Verhandlung. Die „Arbeit“ der Geheimdienste und der Umgang der Regierung(en) damit relativiert jedoch tatsächlich Demokratie, wie sie das Grundgesetz definiert.

    Oder will mir da jemand die Worte im Mund verdrehen?

    Zu Bahr: „Es würde wenig helfen, nach den Ursachen zu forschen“
    Ja, stimmt. Das könnte peinlich werden. Auch für Herrn Bahr. Seit Adenauer wusste wenigstens jede Regierung um die illegalen Tätigkeiten der Geheimdienste. Jede Regierung hat sie genutzt, gefördert und gegen die Verfassung US-Geheimdiensten mehr oder weniger einen Blanko-Check ausgestellt.

    Ein paar Zitate von Bahr kommentiert, bis es mir zu bunt wurde. Brauchst Du den Rest?

    „Nach seiner Wahl zum Bundeskanzler wurde Washington über das Konzept
    unserer Ostpolitik informiert, noch vor dem Bundestag und der
    deutschen Öffentlichkeit“

    Wie ist das zu werten, wenn Demokratie, das Grundgesetz irgend eine Bedeutung haben?

    „Ohne amerikanische Rückendeckung hätte es die deutsche
    Entspannungspolitik nicht gegeben.“

    Sicher, mit Raketen in den Osten gerichtet und Osterdemonstrationen waren das Werk von Irren oder Terroristen, linken Spinnern.

    „Ich leide darunter“

    Wo runter? Das Menschen gequält, getötet werden? Oder dass sein geliebtes Amerika-Bild Risse bekommt?

    “ Alle großen Aufgaben des neuen Jahrhunderts verlangten Kooperation“.

    In der Tat. Aber sind damit Truppenübungen, Rakenstellungen Richtung Osten und Sanktionen gemeint? Natürlich, Putin ist ein Despot. Doch wäre er nicht der erste Despot, der vom Westen unterstützt wurde.

    „Friedensnobellpreis“

    für den, der Menschen mit Drohnen abschießt, einen Krieg führte, den größten Überwachungsskandal aller Zeiten stützt und es nicht schaffte, Guantanamo abzuschaffen? Der, der Geheimgesetze zulässt und damit Demokratie in Frage stellt.

    „Zahl der strategischen Atomwaffen um ein Drittel auf je 1500 zu verringern“

    Nun ehrlich, das war nichts als eine Geldfrage. Weder die USA noch Russland konnten etwas anderes vereinbaren, ohne in noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten.

    In dieser Situation veröffentlichte Edward Snowden…“

    Und entlarvte den Heiligenschein als pure Lüge. 20 Minuten Putin und Obama und dann kein Krieg. Wahrlich „demokratisch“, wie die Weltenherrscher agieren. Herr Bahr, wo ist Michel oder Tom? Nicht doch, Herr Bahr redet von Werten.

    „Die amerikanische Position stellt einen moralischen Maßstab dar, der nicht verhandelbar ist“

    Sorry, Demokratie, also das Grundgesetz, sind nicht verhandelbar. Die amerikanische Position ist demgegenüber, in aller Freundschaft, nachrangig. Wir akzeptieren die US-Verfassung auch, obwohl die USA die Todesstrafe nicht abgeschafft hat. Und das hat nicht mit Macht zu tun.

    „Gigantisches Rüstungsprogramm vorlegen, das alle Welt davon abhalten sollte, sich überhaupt auf einen Wettlauf einzulassen“

    Schon paranoid, dieser Gedanke? Wir drohen, die Welt zu verbrennen, wenn Du ein Streichholz anzündest. Wie könnte man die USA hindern, sich auf den Wettlauf einzulassen? Muss man nicht, weil die moralisch über alles erhaben sind? Wieso sollte das so sein (bei aller meiner tatsächlichen Liebe zu den USA und seinen Menschen – bleiben sie Menschen)?

    Glaube an die Allmacht und Vernunft eines Busch? Mit seinen Lügen? Mit seinen Kriegen? Mit seinem Hass und seiner Ignoranz, nur übertroffen von Machtgeilheit?

    Es reicht, Herr Bahr. Dieser Bullshit ist unerträglich. Er kann es ja ruhig glauben. Doch es existiert eine Realität. Und tatsächlich sehe ich bei Herrn Bahr nirgendwo das Bekenntnis zur Demokratie. Seine Bekenntnis ist die zur USA. Mit dieser Einstellung an der Macht und mir wird übel.

    Ich bekenne mich zu den Menschen und nicht zur Macht. Macht ist kein Selbstzweck und selbstverständlich ist Demokratie nicht statisch. Sie müsste nur erst einmal existieren… Wie wir heute wissen, existierte sie niemals hinreichend (also dem Grundgesetz folgend) in der Bundesrepublik Deutschland. Wohl aber existiert ein dem Grundgesetz widersprechender und geheimer Einfluss der USA auf jede einzelne in Deutschland gewählte Regierung. Demokratie ist jedoch keine Verhandlungssache.

  5. Es tut mir Leid, einen hab‘ ich noch und der lässt sich nicht vermeiden: Es regt mich wirklich auf.

    Bahr meint: „Rücksichtslosigkeit und Maßlosigkeit, mit der sich der ‚Is
    lamische Staat‘ mit dem Anspruch des Kalifats von der zivilisierten
    Welt abgekoppelt hat, machen einen Konflikt unausweichlich“

    Der Tellerrand ist nicht sehr hoch, nicht wahr? Natürlich stimmt der Vorwurf der Rücksichtslosigkeit und Maßlosigkeit. Ich würde selbst stärkere Worte wählen. Sie, der IS z.B. sind Alles, doch keine Muslime und „Gottesfürchtig“ schon einmal gar nicht.

    Doch frage ich mich, was schlimmer ist: Ein Monster oder der, der das Monster geschaffen hat und es unbelehrbar immer wieder tut? Man braucht das Monster um vom eigenen Scheckensgesicht abzulenken. Man braucht Terror um die Kontrolle zu behalten. Und mit Terror hat Bahr Erfahrung. Der Westen hat nahezu jeden Diktator der Welt persönlich installiert oder gefördert und nach Belieben wieder abgeschossen.

    Wenn die Vormachtsstellung der USA und meinetwegen Russlands, der Nato, der Großmächte real ist, wieso sollte man die Verantwortlichen nicht auch verantwortlich machen? Die Situation in der Welt ist schließlich nicht befriedigend. Oder?

    Wer mit Drohnen Kinder und Zivilisten mordet, nicht irgendwie an Gerichte, faire Verhandlungen denkt, der ist nach dem Völkerrecht verantwortlich.

    Wer mit Ramstein die Infrastruktur stellt, den könnte man mal über „Störerhaftung“ befragen. Wer wegen Resourcen mit vorgeschobenen Gründen Länder überfällt, der ist verantwortlich. Glaubt jemand, es fänden sich in irgend einem zivilisiertem Land Mehrheiten für einen Krieg, wie dem Irakkrieg? Man muss schon die „Freiheit“ im Hindukusch bemühen, um Menschen zu solchen Perversionen zu überreden. Schröder ist damals auch gewählt worden, weil er nein zum Krieg sagte. Dummerweise sah sein Plan anders aus… Plan? Welcher Plan?

    Wieso sind wir so nachsichtig? Weil wir nicht im Mittelmeer ertrinken, nicht an Ebola sterben, nicht verhungern? Weil wir profitieren von der Aufteilung der Welt? Deswegen ignorieren wir, dass wir die Welt, diese Situation trotz massiver Warnungen, Proteste, geschaffen haben? Weil wir jung sind und das Geld brauchen? Und damit nicht heraus kommt, wie korrupt Firmen handeln und wie unmenschlich Regierungen mit Ländern und deren Menschen Schach spielen und dann im Alter „pesudo-kluge“ Vorträge halten, den Bauch selbst pinseln um der Rechtfertigung willen?

    Ehrlich, was ist so neu daran, dass es keine Alternative zum Reden mit Russland gibt? Herr Bahr, was um alles in der Welt ist da die Leistung? Unter den Einäugigen ist der Blinde König? Es gibt hier keine menschenwürdige Alternative.

    Oder? vdL versucht gerade aufzurüsten und spricht davon, Deutsche Soldaten und ganze Städte mit einem Schutzschirm zu versehen. Wie wäre es, Alternativen zu Kriegen zu suchen? Ein wenig mit dem Gedanken an Demokratie im Hinterkopf statt zu überlegen, wie sich Hilfe für die „Dritte Welt“ rentieren wird. Ach ich Dummerchen, das geht nicht. Wir haben das seit Jahren, nein von Anfang an verkackt. Es ist Alternativlos. Es ist zu spät. Die „Schwarzen“ überrennen uns, teuschland wird muslimisch, stirbt aus. Und? Wem gehört eigentlich die Welt? Ehrlich, ich kann die deutsche Glatze nicht mehr sehen.

    Weil wir es also verkackt haben bauen wir nun Raketenschutzschilde, Flotten und ziehen ballernd durch die Welt. Weil, wir haben es verkackt und nicht etwa die Menschen in den failed states. Na ja, oder das mit der Vormachtsstellung wäre ja eine Lüge. Also kann das alles nicht sein. Außerdem wollen nicht aussterben. Und wir brauchen das Geld.

    Wir machen das. Am teutschen Wesen soll die Welt genesen. Ist mir schlecht.

    Anmerkung: Sorry an Wolfgang Michael für den Post. Ich wollte ihm nicht widersprechen, bin dankbar für seine Meinung und seine Hinweise. Muss ich mehr sagen? Ja, es gibt immer mehrere Sichten und Alternativen. Ich wünschte, die meine wäre falsch.

  6. Dass die Bevölkerung nicht bereit ist, sich von den USA abzuwenden sehe ich nicht so. In Zeitungsartikeln scheint das so, aber die sind von den USA beeinflusst. In den Kommentaren sieht das sehr viel anders aus. Ich glaube, dass die Bevölkerung nur nicht zum Aufstand, noch nicht einmal zur Verschlüsselung, bereit ist und dass das unser Problem ist. Bequemlichkeit und Ignoranz halt.

  7. @joachim: BRAVO!

  8. Kirstin, mit BRAVO kann ich wenig anfangen. MIr ist ziemlich egal, ob ich Recht habe. Ich wünschte sogar, das wäre alles nicht wahr.

    Was mich aber wirklich interessieren würde, ist die Meinung des Hausherren hier. Kann man meine Aussagen da so ungestraft stehen lassen?

    Herr Michal, wieso haben sie diese Bahr-Rede gebracht? Ich sehe auch, dass Bahr Fakten nennt. Es sind Fakten, die eine Sicht derer darstellt, die eine Vormachtstellung in der Welt behaupten. Dennoch bleiben es historische Tatsachen. Ich sehe auch, dass es eine neue Sicht geben muss. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Nur dass Fakten eben trivial werden, wenn man sie kennt. Man sollte sich weiter bewegen und aus Einsicht Konsequenzen ziehen.

    Jetzt und sofort und nicht erst in Generationen. 1+1 ist? Also?

    Das Ziel ist die „Ablösung der Militärdoktrin War on Terror“. Was jedoch erwarten wir genau von der neuen Generation? Wie soll das gehen? Ich frage mich, ob wir „Alten“ dann aus der Verantwortung entlassen sind? Ist das nicht zu einfach?

    Und wie ließe sich nach all dem, was wir von Beginn an falsch gemacht haben, etwas reparieren? Muss das nicht wesentlich weiter gehen, als Gespräche mit Russland um die Vorherrschaft in der Welt? Wie sieht Demokratie in einer globalisierten Welt aus? Alleine der Kampf um die Kontrolle des Internets zeigt hier die massiven Defizite auf.

    Sollte man die Vormachtstellung einiger Staaten nicht als undemokratisch ablehnen? Haben wir nicht ganz andere Weltprobleme, als Belange der Großmächte, die im Wesentlichen Belange einzelner Mächtiger sind? Sind die nicht sogar Teil des Problems?

    Natürlich muss man sich dann selbst den Dingen stellen. Das ist nicht einfach, wie vdL gerade sehr klar zeigt. Welche Alternative gibt es dazu?

    Dazu kommt: schon doof, wenn der Bundesregierung die Informationen und wirtschaftliche „Vorteile“ aus der Zusammenarbeit mit der NSA entgehen. Ich verstehe das (natürlich ohne es zu akzeptieren). Doch ehrlich, mir ist vollkommen egal, ob Köpfe rollen, wenn das raus kommt. Es wird alles raus kommen und das Köpfe rollen wird schon relativ werden. Dank zu erwartender Vorträge und Industrieverträge wird es denen schon nicht so schlecht ergehen. Ist es jedoch legitim, wenn Merkel meint: „Klar, aber erst nach mir“? Denn sie klärt eindeutig nicht auf. Das ist Teil des Problems.

    Zurück zum Thema: Wie viel Verantwortung tragen die Großmächte beim Terror und wie reagieren wir darauf? Was ist unsere Rolle darin?

    Es ist sekundär, dass ich nicht Steigbügelhalter für welche Macht auch immer sein will. Primär ist: Wo bleiben Michel und Tom? Und wo bleibt Mustapha und Fatima?

    Wer in den Vormachtstaaten vertritt die? Und wie viel von dieser Vertretung ist legitim, wenn Tatsachen, die extrem mit Macht zu tun haben, Jede(n) betreffen könnten, auch hier dem Wähler massiv und vom ersten Augenblick an vorenthalten wurden und immer wieder werden? Die USA erkennt ihre Verfassungsrechte für Ausländer nicht an. Hier wird das ebenfalls in frage gestellt. Folglich hat die USA (Russland, Europa, Deutschland) keinerlei Mandat für diese Menschen. Die Vormachtstellung hat keinerlei demokratische Legitimation. Die Übergriffe der Staaten sind eindeutig illegal.

    Hier werden nicht einmal die Suchbegriffe der NSA genannt. Diese Begriffe sind auch Grundlage für die Weltpolitik und nicht nur für Wirtschaftsspionage.

    Dagegen ist nicht nur jeder Deiner persönlichen Suchbegriffe Teil von Big Data (sondern jeder Furz auf dem Sofa und jeder Wisch auf den Smartphone). Nach Merkel ist das die Zukunftstechnik, die „Arbeitsplätze“ sichert. Na selbstverständlich. Denn Wissen ist Macht. Wieso kommt mir dabei „konsumiere“, „gehorche“ und „schlafe“ aus einem der schlechteren Filme in den Sinn?

    Ist es aus dieser Sicht nicht verständlich, dass ich Zweifel an dem Ruf nach einer neuen Generation habe? Es sind nicht nur Zweifel. Es scheint mir, als würde ich mich um die Verantwortung drücken.

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