Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Patt und Pattachon – Wie Autoren und Verleger wieder ins Gespräch kommen können

14. September 2016, 16:32

Die unerwartete Abstimmungs-Niederlage vom vergangenen Samstag hat die Traditionalisten der VG Wort schwer getroffen. Wütend schlagen sie um sich und schmähen ihre Kritiker. Sinnvoll ist das nicht.

Wenn die Qualitätspresse schäumt, dann fließt nicht Qualitätsschaum aus ihren Zeilen, sondern Unsinn. FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld wütete am Montag im Feuilleton, als seien Weltfrieden, Abendland und Leitkultur zugleich in Gefahr. Dabei wurde lediglich ein schlecht formulierter Antrag gekippt, was in jedem besseren Verein hin und wieder vorkommen soll. 37 Autoren hatten sich die Freiheit genommen, anders abzustimmen als es FAZ und VG Wort-Vorstand wollten.

Öl ins Feuer gießen, Teil 1 

Schon am vergangenen Donnerstag – zwei Tage vor der in München stattfindenden Mitgliederversammlung der VG Wort – hatte Hanfeld in größtmöglicher Dramatik über einen bevorstehenden „Großangriff auf die VG Wort“ spekuliert. Als besondere Reizfigur diente ihm dabei Martin Vogel, jener Autor und ehemalige Richter, der im Frühjahr vor dem Bundesgerichtshof ein bemerkenswertes Urteil zugunsten der Autoren erstritt. Dieser Vogel, so Hanfeld, wolle „den ihm offenbar verhassten Verlegern das Messer an die Kehle“ (!) setzen. Und dabei handle er nicht allein. „Diejenigen, die das Modell der VG Wort stürzen wollen, werden in Mannschaftsstärke aufmarschieren“ und gnadenlos niedermachen, was sich ihnen in den Weg stellt. „Das Ergebnis der Umwälzung, die der VG Wort-Gegner Vogel anstrebt… wird die Zerstörung der hiesigen Verlags-Autoren-Landschaft sein“.

Öl ins Feuer gießen, Teil 2

Montags drauf – kurz nach der denkwürdigen Münchner Versammlung – baute Hanfeld seine „Drohkulisse“ zum Weltuntergangstheater aus. In einem weiteren Feuilletonaufmacher (Titel: „Zerstörung der VG Wort, Teil eins“) spricht er von einem eiskalt geplanten Staatsstreich und von wilden Sponti-Aktionen: „Am Samstag ist im Münchner Hofbräukeller ein Schauspiel aufgeführt worden. Es ist ein quälendes Stück, ein Drama… eine kleine Interessengruppe hatte erkannt, wie man die VG Wort bei ihrer Satzung packt… Es ist Teil eins eines Coup d’Etat, vorbereitet von dem Urheberrechtler Martin Vogel“ (als Robespierre?) „und exekutiert“ (Guillotine?) „durch einen Verein freier Journalisten namens ‚Freischreiber’, der die Mitgliederversammlung der VG Wort… in bester Sponti-Manier sprengte… Ein wild entschlossenes Dutzend“ (ein dreckiges Dutzend von Jakobinern) „spielte eine übergroße Mehrheit aus“ (terrorisierte sie), „zum Schaden von Hunderttausenden…“ (ach was, zum Schaden der ganzen Menschheit). Ergebnis: „Kein Geld, für niemanden“. Schuld seien die Freischreiber oder besser: Martin Vogel und „die Präzeptoren der Freischreiber“ (Meinte er Prätorianer? Oder Raptoren? Egal). Jedenfalls „verkündeten“ die Freischreiber-„Präzeptoren“ fünf Stunden lang ihr „Mantra“ und hypnotisierten damit die Versammlung.

„Die beiden Hauptsprecher der Freischreiber“ (Linke! Grüne!! Igitt!!!) spielten sich auf, rissen die Versammlung an sich, „redeten sich in Rage und sprangen wild gestikulierend auf, wenn ein Gegenredner…etwas sagen wollte… Es war ein pfauenhaftes Gehabe mit ganz klarem politischen Impetus, Bestimmerattitüde vom Feinsten, ein Lehrbeispiel für die Verführung der Macht“ (aka Triumph des Willens). Die Freischreiber „verkrafteten es nicht, dass die letzten Änderungen am Antragsvorschlag des Vorstands… frisch auf den Tisch kamen“ (wo sie doch sonst immer alles frisch haben wollen). Ergebnis? Die Freischreiber hinterließen „verbrannte Erde“ (wie die Nazis). Ihr perfider Plan? Ein „Dreischritt… erst die Rechtsgrundlage schaffen“ (also die Parlamentarier zu Gesetzen zwingen), „dann gegen die VG Wort klagen“ (= den Richtern das Urteil diktieren), „dann in der bestehenden Form auflösen“ (= die VG Wort vernichten). So schreibt ein FAZ-Redakteur, wenn er vollkommen ausrastet oder das falsche Kraut geraucht hat. Er denunziert Personen und Organisationen, bemüht Sprachbilder und Assoziationen, die man in einer bürgerlichen Qualitätszeitung nicht für möglich gehalten hätte und verliert sich in Verschwörungstheorien. Hanfeld führt sich auf, als stünden marodierende Banden kurz vor der Einnahme des FAZ-Verlagsgebäudes – dabei ging es nur um einen Antrag, der auf einer Vereinsversammlung nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten hat. Ich kann nur hoffen, dass Hanfeld beim Schreiben manchmal laut auflachen musste über den Stuss, den er da im Zorn fabrizierte.

Klare Verdrehung der Tatsachen

Detlef Esslinger, der „Berichterstatter“ der Süddeutschen Zeitung, der bei der Mitgliederversammlung in München ebenfalls zugegen war und sich gemeinsam mit Hanfeld (vergeblich) gegen den Ansturm der Revoluzzer stemmte, schreibt zwar nicht ganz so polemisch wie sein Mitkämpfer, aber auch er verdreht geschickt die Tatsachen („Genug ist nicht genug. Freie Journalisten blockieren mit radikaler Forderung die VG Wort“). Die freien Autoren, so der verärgerte SZ-Redakteur, würden den Hals nicht voll genug kriegen. Wie Hanfeld attackiert er mit besonderer Inbrunst Martin Vogel und macht die Freischreiber dafür verantwortlich, dass die Rückzahlung der Gelder an die Autoren nun auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden müsse (ein haarsträubender Unsinn, denn für eine solche Rückforderung braucht die VG Wort gar keine Beschlüsse). Mit allen Mitteln wird so versucht, einen Keil in die Urheberschaft zu treiben: die Ja sagenden Autoren sollen wütend werden auf die Nein sagenden, und diese Wut führt dann z.B. dazu, dass Mitglieder von Freischreiber, die sich in München zu Wort meldeten, wüst beschimpft werden.

Auch die „Berichterstatterin“ des Deutschlandfunks, Susanne Lettenbauer, behauptete, die Freischreiber hätten bei der Mitgliederversammlung sämtliche Anträge „abgeschmettert“. Das ist ein bisschen seltsam, wenn man bedenkt, dass die meisten Anträge von den Freischreibern kamen. Tatsächlich verhielt es sich umgekehrt: Die Mitgliederversammlung schmetterte alle Anträge der Freischreiber ab, darunter auch jenen, der dafür plädierte, dass die im Vogel-Prozess für die VG Wort-Führung erstellten Gutachten (Prozesskosten: 1 Million Euro!) allen Mitgliedern zugänglich gemacht werden sollen. Die Freischreiber hätten gern gewusst, wofür das Geld ausgegeben wurde und für welche Gutachten welche Honorare gezahlt wurden. Abgelehnt haben die Freischreiber nur den von der VG Wort-Führung vorgelegten „Korrekturbeschluss“, dessen Inhalt sich vorrangig damit befasste, Korrekturen zu vermeiden. Weil dieser Antrag unmittelbar vor Beginn der Versammlung „nachgebessert“ worden war, verlangten die Freischreiber mehr Zeit, um den hoch komplizierten siebenseitigen Antrag zu prüfen. Diese Zeit wollte man ihnen nicht geben. Also lehnten sie ab. Wie kann es jetzt weitergehen?

Autoren für dumm verkaufen

Das Kernproblem des Konflikts ist nach wie vor, dass die VG Wort-Führung das BGH-Urteil vom 21. April 2016 nicht wirklich umsetzen will. Ihre Rechtsberater tun alles, um die Dinge so kompliziert wie möglich zu gestalten und einen relativ einfachen Sachverhalt in unverständliches Juristendeutsch zu gießen. Dass dieses Vorgehen immer mehr Autoren die Laune verdirbt, ist verständlich. Man muss sich fast wundern, dass die Autoren trotz alledem noch immer mehrheitlich an einer konstruktiven Lösung des Konflikts interessiert sind.

Der in München von der VG Wort-Führung vorgelegte „Beschluss über die Rückabwicklung der Verteilung für den Zeitraum von 2012 bis 2015“ (genannt „Korrekturbeschluss“), ist von der Mitgliederversammlung aus den oben genannten Gründen abgelehnt worden. Der Antrag scheiterte aber auch, weil es in seinen Paragraphen mehr darum ging, wie die Verleger einen Zahlungsaufschub erreichen können als darum, wie das Geld möglichst schnell an die Autoren zurückfließt. Gleichzeitig sollte mit dem Korrekturbeschluss ein Verfahren beschlossen werden, wie Autoren auf das ihnen zustehende Geld verzichten können. Der „Korrekturbeschluss“ lief also im großen und ganzen darauf hinaus, dass er Korrekturen so weit wie möglich verhindern wollte. Zu deutsch: Man wollte die Autoren für dumm verkaufen.

Der Kampf der Juristen

Nun sagen kluge Juristen, die den VG Wort-Vorstand kritisieren, dass es gar nicht nötig sei, über die Rückabwicklung der zu Unrecht verteilten Gelder irgendwelche Mitglieder-Beschlüsse zu fassen. Die VG Wort sei auch ohne solche Beschlüsse gehalten, das BGH-Urteil zügig umzusetzen. Die Gremien der VG Wort könnten also nicht hergehen und eigenmächtig beschließen, dass das in der Vergangenheit falsch verteilte Geld erst in zwei Jahren oder nur von bestimmten Betroffenen oder gar nicht zurückgezahlt werden muss. Die VG Wort habe das zu Unrecht ausbezahlte Geld ganz unabhängig von Beschlüssen zurückzufordern, und zwar im Rahmen der Zahlungsfristen, die im Geschäftsleben üblich seien.

Einige Urheberrechtler sind sogar der Meinung, dass die Beschlüsse der VG Wort-Gremien, die auf der Grundlage der bestehenden Satzung zustande kommen, keine Rechtsgrundlage mehr haben, weil die Berufsgruppen der Verleger – die keine eigenen Rechte in die VG Wort einbringen – nicht über die Verteilungspläne der VG Wort oder deren Korrektur abstimmen dürfen. Die Satzung, auf deren Grundlage Beschlüsse gefasst werden, sei durch das BGH-Urteil in wesentlichen Punkten obsolet geworden. Und eine rechtswidrige Satzung könne nur rechtswidrige Beschlüsse hervorbringen. Bevor die VG Wort also überhaupt neue Beschlüsse fassen könne, müsse erst die alte Satzung korrigiert werden. Und das wiederum heißt: Die Verabschiedung einer neuen Satzung (oder die fällige Korrektur der alten) fiele in die Allein-Zuständigkeit der Urheber.

Ein politisches Patt erfordert politische Kompromisse

Da die Urheber aber politisch vernünftig argumentieren und vor radikalen Änderungen zurückschrecken, sind sie momentan noch nicht bereit, die logischen Konsequenzen des BGH-Urteils in Politik umzusetzen. Die höchstrichterliche Feststellung, dass nur Urheber eigene Rechte in eine Verwertungsgesellschaft einbringen, würde nämlich darauf hinauslaufen, die Verwertungsgesellschaft Wort zu einer reinen Urheber-Organisation umzubauen. Mit der zwingenden Folge, dass sich die Urheber bei künftigen Vergütungsverhandlungen nicht mehr hinter dem (breiten?) Rücken der Verleger verstecken könnten. Sie müssten die Verhandlungsrunden mit ihren eigenen Experten besetzen. Das ist zwar machbar, würde aber eine enorme Herausforderung darstellen. Die meisten Autoren sind nicht gerade dafür bekannt, dass sie Gremien- und Vereinsarbeit besonders schätzen.

Damit ergibt sich – jenseits der juristischen Gefechtslage – eine klassische politische Patt-Situation: Die Altvorderen der VG Wort können nicht mehr so wie sie wollen, und die neu eingetretenen, nach vorn drängenden Autoren wollen noch nicht so, wie sie (laut BGH-Urteil) eigentlich könnten. Ein Patt aber erfordert einen „historischen Kompromiss“. Um einen solchen zu erreichen, müsste die VG-Wort Führung als erstes von ihrem hohen Ross heruntersteigen und den Autoren etwas anbieten, was eine echte Verbesserung ihrer Lage darstellt. Eine solche Verbesserung wäre das künftige Unterlassen jeglichen Taktierens bei der Rückforderung der zu Unrecht ausbezahlten Gelder. Man braucht für diese Rückforderungen keine komplizierten siebenseitigen Anträge, es genügen zwei, drei klare Sätze. Das heißt, es wäre an der Zeit, dass die Führung der VG Wort aufhört herumzueiern und die fälligen Zahlungsaufforderungen noch vor der nächsten Mitgliederversammlung verschickt.

Zweitens müsste die VG Wort-Führung ihr absurdes Verlangen nach einer Abtretungsregelung für Autoren endgültig begraben. Es zählt nicht zu den Aufgaben der VG Wort, solche Abtretungen zu organisieren, weder namentlich noch anonym. Eine Abtretungsregelung ist schlichtweg überflüssig. Wer sein Geld verschenken möchte, kann dies außerhalb der VG Wort jederzeit tun.

Fänden diese beiden Punkte die Zustimmung der Traditionalisten, wäre ein Kompromiss im November durchaus möglich.

Nothilfe für kleine Verlage

Bei vielen Autoren ist außerdem die Einsicht gewachsen, dass kleine Verlage durch die Rückforderungen tatsächlich in Schwierigkeiten geraten könnten. Auch Internetportale, die von Autoren betrieben werden und ihre Beiträge jährlich an die VG Wort melden, könnten von Rückzahlungen betroffen sein. Dabei geht es meist um Beträge, die zwischen 1.000 und 50.000 Euro liegen. Dafür bräuchte es einen finanziellen Ausgleich, etwa in Form eines Sozialfonds (wie ihn die VG Wort für in Not geratene Autoren bereits unterhält). Aber auch über Kultur-Subventionen sollte man nachdenken. In Österreich gibt es eine gut funktionierende staatliche Förderung für Verlagsprogramme, die zwei Mal im Jahr Beträge zwischen 10.000 und 60.000 Euro an Kleinverlage ausschüttet. Und nicht zuletzt könnten große Verlage oder Verlegerverbände Solidarität mit schwächeren Mitgliedern üben.

Das bedeutet: Wenn sich die VG Wort-Führung bis zur nächsten Mitgliederversammlung Ende November nicht bewegt, sondern in der Schmollecke verharrt, wird es zu einer vollständigen Lähmung kommen. Das können beide Seiten nicht wollen (obwohl es zur Zeit – unter Mithilfe der Qualitätspresse – darauf hinausläuft). Man kann nur hoffen, dass die Anhänger der „guten alten Sozialpartnerschafts-Zeit“, in der die heile Welt der VG Wort noch in Ordnung schien, aus der Münchner Abstimmungsniederlage lernen und nicht länger die beleidigte Leberwurst spielen. Die Kritiker der VG Wort haben ihre Mitarbeit an einer konstruktiven Lösung ja bereits unmittelbar nach dem Ende der Münchner Versammlung angeboten.

Siehe dazu auch: Sind die Autoren so reich, dass sie ihr Geld verschenken können? und Wem gehört das Geld der VG Wort? Aufschlussreich ist in vieler Hinsicht die Diskussion bei Stefan Niggemeier. Einen Überblick über Reaktionen auf die Mitgliederversammlung hat Henry Steinhau für iRights zusammengestellt.

Martin Vogel, der das BGH-Urteil im April 2016 erstritten hat, beschreibt für den Perlentaucher die Rechtslage: 1. Seine Anmerkungen zum Urteil, 2. Seine Briefe ans Patentamt und 3. Seine kritische Sicht auf die Mitgliederversammlung der VG Wort und die Reaktionen der Presse

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7 Kommentare

  1. Lieber Herr Michal,
    eine Brücke die tragen soll braucht wenigstens zwei Pfeiler. Der erste ist die Frage, ob grundsätzlich das Recht der Verlage auf Entschädigung aus Schranken anerkannt wird oder nicht. Wenn man das verneint, dann bedeutet das natürlich die Auflösung der VG Wort etc. Wenn man dagegen das Recht bejaht, dann geht es um eine Korrektur der Gesetzeslage für die Zukunft.
    Die zweite Säule ist die Frage, wem die zur Rückforderung anstehenden Gelder gehören. Da gibt es meines Wissens kaum Differenzen. Sekundär ist dabei, ob das schnell oder langsam geht, es muss so gehen, dass die Beteiligten dabei keinen zu großen Schaden erleiden.

    Letztlich ist aber der erste Pfeiler entscheidend. Und mir scheint, das ist auch der Punkt an dem sich die Freischreiber von den anderen unterscheiden.

    Den Vorschlag einer Brücke finde ich gut. Aber man muss sie auch bauen wollen.

    Herzliche Grüße
    Matthias Ulmer

  2. Lieber Herr Ulmer,
    das Bild von der Brücke ist zwar sehr schön, das Problem ist aber, dass die Gerichte festgestellt haben, dass es sich gar nicht um eine Brücke handelt, sondern um einen Leuchtturm. Und der hat nur einen Pfeiler: die Urheber. Weil die Verlage, so der BGH, gar keine eigenen Rechte in die VG Wort einbringen. Die Rechtslage ist also unabhängig davon, ob man sie bejaht oder nicht, eindeutig. Diejenigen, die den Leuchtturm in eine Brücke umbauen wollen, müssen also gute Gründe dafür nennen. Sonst gibt es möglicherweise keine Baugenehmigung.
    Herzliche Grüße
    Wolfgang Michal

  3. Lieber Herr Michal,

    ich dachte, ich hätte das Bild des Brückenbaus in Ihrem Text gelesen, das war wohl ein Fehler.
    Das ändert aber nichts an meiner Frage, und die haben Sie ja nun beantwortet: Sie halten eine Beteiligung der Verlage grundsätzlich für falsch, ganz unabhängig von 63a und Infosoc Richtlinie.
    Damit stehen Sie gegen die Einschätzung der Bundesregierung, der Kommission in Brüssel, der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, der Gründungsidee der Verwertungsgesellschaften, der Praxis der Verwertungsgesellschaften bis zu Martin Vogels Professorenentwurfsreform, der Meinung des Schriftstellerverbands und ja auch der Mehrheit der sechs Gruppierungen der VG Wort.
    Es ist also doch richtig, Schaum vorm Mund oder nicht, dass Sie eine Abwicklung der VGWort wollen. Wie unter den Voraussetzungen ein Kompromiss zustande kommen soll, das kann sich wohl niemand vorstellen.
    Sie werden weiter für eine extreme Position kämpfen, während die anderen sich bemühen, den politisch gewollten und verfassungsmäßig erforderlichen Zustand wieder herbeizuführen.
    Bis dahin wird es noch eine Menge Artikel und Blogbeiträge geben, die die eine Seite als Hetze, die andere als absurd bezeichnen wird, ohne dass eine Verständigung möglich ist. Ein Theater, das außer Verdruss und Beschädigung zu nichts führt.
    Ich kann nicht verlangen, dass Sie Ihre Position überdenken. Wenn aber Ihr Diskussionspartner darauf hinweist, dass Sie mit Ihrer Forderung ihm seine Grundrechte absprechen, dann wäre es ein Schritt nachzufragen und zu versuchen zu verstehen, was er damit meint. Verständigungsorientiertes Handeln, sozusagen. Das wäre schon etwas.

    Herzlichst und immer optimistisch
    Ihr Matthias Ulmer

  4. Lieber Herr Ulmer,
    Sie tragen etwas dick auf, wenn Sie meinen, die Grundrechte seien betroffen, wenn die Verleger nicht an den Ausschüttungen der VG Wort partizipieren. Es kann natürlich sein, dass Sie das Urteil des BGH für das Urteil von Extremisten halten, aber wir beide, so viel steht fest, sind an diesem Urteil nicht beteiligt gewesen.
    Die Frage ist doch jetzt: Wie könnte ein Kompromiss auf der Basis dieses Urteils aussehen? Ich habe versucht, das zu beantworten und einen Vorschlag gemacht, und ich wünschte. Sie täten dasselbe. Sie beharren aber darauf, das BGH-Urteil als irrige Meinung weltfremder Richter abtun und weiterhin ignorieren zu können.
    Ich glaube nicht, dass das bei höchstrichterlichen Urteilen einfach so geht (es sei denn, das Bundesverfassungsgericht korrigiert den BGH noch).
    Die Verleger, das werden Sie zugeben, haben doch schon eine Menge Rechte (z.B. sehr weitgehende Nutzungsrechte an den Werken der Urheber), sie sind nur keine Urheber. Ein Rentner kann ja für sich auch kein Kindergeld beanspruchen.
    Herzliche Grüße
    Wolfgang Michal

  5. Lieber Herr Michal,

    nehmen wir die Schranke 52b. Die Bibliothek darf ein Buch einscannen und digital verfügbar machen. Und weil das ja ganz objektiv ein Exemplar im Lesesaal ersetzt, wurde als Vergütung für die Schranke der Ladenpreis des Buches als Größe gewählt. Das ist ein Eingriff in Eigentumsrechte, eine Verletzung des Grundrechts (!), für die den Geschädigten eine Entschädigung zu steht. Entschädigungslose Enteignungen sind verfassungswidrig.
    Also die Frage, wer geschädigt wird. Wenn ein Buch weniger verkauft wird, dann könnte man das an der üblichen Verteilung der Erlöse bemessen, irgendwo zwischen 10:90 oder 20:80 zwischen Autor und Verlag. Jetzt wird nicht immer ein Kauf substituiert, wird auch nicht immer ein Buch am Lager dadurch wertlos etc. das sind alles Erwägungen, die bei der Frage des Autorenanteils und Verlegeranteils relevant werden. Aber die Aussage, dass ausschließlich der Autor geschädigt wird und der Verlag nicht, das ist ja objektiv nicht haltbar.
    Auf die Leuchturmspitze getrieben: hätte man die Kulturflatrate eingeführt und dafür eine Schrankenvergütung eingeführt, dann würden Sie die heute auch beanspruchen? Dann arbeiten zahlreiche Menschen zusammen, um den Text des Autors marktgerecht an den Leser zu bringen, vergütet wird aber nur der Autor?

    Wie gesagt, rechtliche Korrektur der aktuellen absurden gesetzlichen Situation und Wiederherstellung eines verfassungsmäßigen Zustands, bis dahin Umsetzung des aktuell gültigen Rechts, nämlich Ausschüttung der gesamten Beträge an die Autoren. Kompromiss oder Brücke, das hatte ich Ihnen bereits im ersten Kommentar angeboten.

  6. Lieber Herr Ulmer,
    die VG Bild-Kunst hat die Korrektur der Verteilungspläne (und die Modalitäten der Rückzahlung) eine Woche nach der Versammlung der VG Wort auf ihrer Mitgliederversammlung beschlossen – übrigens mit sehr großer Mehrheit. Warum? Der Antrag war verständlich formuliert, war transparent gehandhabt worden und enthielt keine absurden Paragraphen wie Abtretungsregelungen für Urheber. Dass es bei der VG Wort solche Probleme gibt, liegt vor allem an den schlechten Beschlussvorlagen der VG Wort-Führung.

  7. Lieber Herr Michal,

    in dem Punkt sind wir uns ja einig. Die Verleger hatten dem bei der VG Wort ja auch zugestimmt. Dass die Journalisten dem Vorschlag der Geschäftsführung nicht zugestimmt haben wirkte zwar sonderbar, die Begründung finde ich aber verständlich. Man hat das Recht Anträge genau zu prüfen.
    Wichtiger ist die grundsätzliche Frage. Dazu haben Sie sich leider nicht geäußert. Wenn es um eine Verständigung geht, dann geht es primär um diese Frage.

    Herzliche Grüße
    Matthias Ulmer

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