Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Das #NetzDG: Ein Bumerang für Heiko Maas

9. Januar 2018, 15:15

Das NetzDG steht in der Tradition der Republikschutzgesetze von Weimar und richtet sich eindeutig gegen rechts. Doch eine der vielen Lehren aus Weimar ist: Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte Bundesjustizminister Heiko Maas ein kluges Buch. Es trägt den Titel „Aufstehen statt wegducken. Eine Strategie gegen Rechts“. Dieses Handlungs-Motto dürfte ihn auch bei der Ausarbeitung des noch immer heftig umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) geleitet haben.

Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Bedrohungen von Personen, Aufrufe zu staatsgefährdenden Gewalttaten, politische Hetzreden und Beschimpfungen von Politikern oder Religionsgemeinschaften schnellstmöglich aus sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter entfernt werden. Geschieht das nicht binnen 24 Stunden, können die Netzwerkanbieter mit empfindlichen Geldbußen belegt werden.

Mit dem NetzDG steht Heiko Maas in der Tradition eines berühmten sozialdemokratischen Vorgängers: des Reichsjustizministers Gustav Radbruch. Der hatte 1922, als der Bestand der Republik durch politische Radikalisierung, den Kapp-Lüttwitz-Putsch und eine Reihe von rechtsradikalen Attentaten aufs Äußerste bedroht schien, ein „Republikschutzgesetz“ durchgesetzt, das sich gegen rechte Hetzer und gewaltbereite Republikfeinde richtete. Reichskanzler Joseph Wirth machte die Zielrichtung des geplanten Gesetzes am Tag nach der Ermordung von Außenminister Walther Rathenau unmissverständlich klar. Im Reichstag wandte er sich zu den Abgeordneten der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und rief: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. – Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!“

Die Rechten schäumten (wie heute) und warfen der Regierung Zensur und die Abschaffung der Meinungsfreiheit vor. Aber auch Fachleute warnten, das Gesetz sei überflüssig, da sämtliche Straftatbestände, die es zu ahnden versuche, bereits im Strafgesetzbuch stünden. Der Staat könne auch ohne Republikschutzgesetz jederzeit handeln.

Eine besondere Form der Rechtsdurchsetzung

Peinlicherweise war das geplante Gesetz auch noch verfassungswidrig. Es konnte nur mit einer „verfassungsdurchbrechenden“ Zweidrittelmehrheit im Reichstag verabschiedet werden. Für das Gesetz votierte eine große Koalition aus SPD, USPD, DDP, Zentrum und der Mehrheit der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei (DVP), dagegen stimmten DNVP, Bayerische Volkspartei und Bayerischer Bauernbund.

Ähnlich wie das NetzDG unserer Tage zielte das Republikschutzgesetz von 1922 auf jene „Hassprediger“, die das politische Klima der Republik vergifteten. Selbst die Auflistung der Straftatbestände erinnert an die im NetzDG aufgelisteten 21 Strafgesetzbuch-Paragraphen – von der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit über Beschimpfung, Verleumdung und Volksverhetzung bis hin zum Mordaufruf gegen Politiker. Druckschriften, die solchen Hetzreden Platz einräumten, konnten gemäß § 21 zeitweise verboten werden, was – wegen des Einnahmeausfalls – einer hohen Geldbuße gleichkam. Auch im NetzDG finden wir die Androhung drastischer Bußgelder.

Am problematischsten aber war, dass das Republikschutzgesetz eine Sondergerichtsbarkeit schuf: eine spezielle Form der Rechtsdurchsetzung außerhalb der normalen Gerichte. Auch das NetzDG etabliert eine besondere Form der Rechtsdurchsetzung. Es delegiert sie an die „Sondergerichte“ der kommerziellen Netzwerk-Anbieter Facebook und Twitter. Deren „Löschteams“ sollen den Gerichten die Drecksarbeit abnehmen.

In überarbeiteter Fassung wurde das Republikschutzgesetz 1930 noch einmal bekräftigt, diesmal gegen die Stimmen von DNVP, NSDAP und KPD. Doch der zunehmenden Gewalt auf den Straßen und dem Aufkommen eines irreversiblen Hassklimas gegen „das Weimarer System“ konnte das Gesetz nicht entgegenwirken.

Gut gemeinte Gesetze wie das Republikschutzgesetz oder das NetzDG, die nur hervorheben, was sowieso schon verboten ist, können gesellschaftliche Trends nicht stoppen, ja sie erschweren manchmal sogar die Verteidigung des Guten. Auch das lässt sich aus der Geschichte lernen. Je länger das Republikschutzgesetz in Kraft war, desto häufiger wurde es gegen die Kritiker der Rechten instrumentalisiert. Die Verschiebung der politischen Kultur nach rechts machte es möglich, dass nationalkonservative Regierungen und antirepublikanisch gesinnte Richter die Paragraphen so auslegten, wie es ihnen gefiel. Das Republikschutzgesetz entwickelte sich zum Bumerang für die Verteidiger der Republik.

Auch dem NetzDG könnte eine solche Entwicklung blühen. Denn nicht immer wird der verantwortliche Minister Heiko Maas heißen und „eine Strategie gegen rechts“ im Sinn haben. Irgendwann könnte „der Schutz der Republik“ auch in den Händen eines AfD-Ministers liegen.

Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch die Beiträge: „Publizistische Sorgfaltspflicht statt Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (7.6.2017), „Wie aus Internet-Plattformen Verlage werden“ (27.8.2012) und „Setzen die Netzaktivisten die richtigen Prioritäten“ (3.7.2017)?

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie mich durch eine Spende unterstützen.

Umbrüche & Entwicklungen sagt Danke!

7 Kommentare

  1. Lieber Wolfgang Michal,
    das #NetzDG soll in allererster Linie Nutzer schützen, die von irgendwelchen Verrückten (auch Linken) angepöbelt werden. Genau gesagt: Es macht inhaltlich nicht neue Vorgaben, sondern erhöht die Implementation uralter Regeln wie etwa im Telemediengesetz. #Opferschutz first.

    Und es soll, zweitens, die Kultur des Netzdialogs anheben – und zwar gerade weil er ein politisch relevanter geworden ist. Jede Ausweitung der Teilnehmer am politischen Diskurs im Zuge der Demokratisierung hat stets die Ansprüche an die Diskutanten erhöht, schrittweise, und es war kompliziert. Denken Sie an Einblattdrucke, politische Salons, die ersten Parlamente. Das musste immer zivilisiert werden, bis sich ein neues Gleichgewicht zwischen Argument, Provokation und Hetze einstellte. Diesen Prozess als Zensur zu benennen ist historisch verkürzt – und unpolitisch.

    Es ist eine absolute Selbstverständlichkeit, dass der Diskursraum zunächst von denen tatortgereinigt wird, die ihn anbieten: der Veranstalter eines Podiums („Bitte benehmen Sie sich, Herr Füller, Herr Michal, sonst entziehe ich Ihnen beiden das Wort!“); ein Blogger wie Sie, der nicht jeden Hass-Kommentar zulässt, sondern einfach löscht; die Redakteure einer Zeitung, online oder offline, ja, und selbstverständlich auch Facebook. Das ist nicht Zensur, sondern Umgangsform, Hausrecht – und Anstand. Erst persistente Aggressoren werden angezeigt. Dann kommt der Staat ins Spiel, die Justiz.

    Es ist albern, das Sondergericht der Weimarer Republik auf resolute Leserbriefredakteure wie die legendäre Gaby von Thun bei der taz anzuwenden. Wo sind ihre Maßstäbe?! Da helfen auch keine Tüfteligen mehr. Es ist absurd. Und ich werde einen Verdacht nicht los: da will jemand, Sie, den eigentlichen Kern des Problems nicht ansprechen: dass Facebook und Twitter lukrative Geschäftsmodelle sind, deren Tatortreinigung einfach wahnsinnig viel Geld kosten würde. Es geht nicht um Zensur, es geht um schiere Masse. Man liegt es also händisch nicht hin, den ganzen Hass auszukehren. Und dass es genau darum geht, da sind wir uns doch wohl einig, oder.

    Das heißt also: Der kluge, feine Wolfgang Michal steht diesmal nicht auf der Seite der Schwachen, derer, die bepöbelt, geschmäht und gestalkt werden, sondern auf Seiten eines Multi-Milliarden-Konzerns. En interessantes Plätzchen – für einen linken Publizisten. 😉

    Ansonsten, liebe Grüße und Frohes Neues, ich hoffe, es geht Ihnen gut!
    Christian Füller

  2. Korrektur: Es muss heißen, „da helfen auch keine Tüttelchen rund ums Sondergericht mehr, um den unangebrachten Vergleich zu relativieren.“
    Statt: „Da helfen auch keine Tüfteligen mehr.“

  3. Lieber Christian Füller,

    ich setze die beiden Gesetze ja nicht gleich, ich stelle fest, dass das jüngere in der geistigen Tradition des älteren steht.

    Ihre Kritik erklärt sich m.E. daraus, dass Sie Ihre langjährigen Erfahrungen in der Missbrauchsdebatte zu sehr auf dieses Thema übertragen und deshalb nur den individuellen Strafrechts-Teil des NetzDG sehen wollen. Es geht aber beileibe nicht nur um Anpöbeleien, schlechtes Benehmen und üble Nachrede. Wenn Sie sich die 21 im NetzDG aufgelisteten Strafgesetzbuch-Paragraphen anschauen, so zielt der größere Teil auf Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Da ist alles dabei, vom Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen über die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat bis hin zur Bildung terroristischer Vereinigungen. Auch wenn Sie das Buch von Maas mit heranziehen, das genau in der Zeit erschien, als das NetzDG verhandelt wurde, verstehen Sie den Zusammenhang zum Republikschutz besser.

    Um zu Ihren Einwänden zu kommen: Natürlich sollen die Nutzer auch voreinander geschützt werden, aber es zeigt sich eben auch, dass mit dem jetzigen Beschwerdeverfahren viel Missbrauch und Schabernack (Titanic) betrieben werden kann. Ein Denunziantenstadl soll es nicht werden.

    Wir haben uns schon einmal über das Thema unterhalten, nämlich anlässlich dieses Beitrags: http://www.wolfgangmichal.de/2017/06/publizistische-sorgfaltspflicht-statt-netzwerkdurchsetzungsgesetz/

    So lange der Gesetzgeber soziale Netzwerke nicht als Medienkonzerne, sondern als postähnliche Diensteanbieter oder als undefinierbare Intermediäre einstuft (was ich, wie Sie wissen, problematisch finde), kann er nicht die gleichen Anforderungen an Diensteanbieter stellen wie an Redaktionen bzw. Verleger (siehe dazu die Landespressegesetze). Das betrifft sowohl die Sorgfaltspflicht als auch das ViSdP, also die Benennung eines Verantwortlichen, den man notfalls auch verklagen kann.

    Historisch gesehen haben sich diese Anforderungen an die Presse im 19. Jahrhundert aus der landesüblichen Zensur entwickelt. Im Prozess der Zivilisierung und Demokratisierung wurden aus der Vor- und Nachzensur durch staatliche Stellen die konkrete Verantwortlichkeit (ViSdP) und die Sorgfaltspflicht. Pressehistoriker sagen, die Zensur ist sozusagen nach innen verlegt worden. Auch das könnte man eine „Privatisierung der Rechtsdurchsetzung“ nennen. Die Medien sorgen seither in Eigenregie für ‚Ordnung‘. Sie stehen für das gerade, was sie veröffentlichen.

    Die Leute, die für die Einhaltung der Standards Sorge tragen mussten, waren – mit der Zeit zunehmend häufiger – journalistisch ausgebildete Profis. Heute würde das Zurückhalten bzw. Aussortieren strittiger Inhalte durch Redaktionen niemand mehr Selbstzensur nennen, heute heißt es Haltung oder Blattlinie oder Ausrichtung oder auch nur ‚In meiner Zeitung bestimme ich, was veröffentlicht wird‘. Das hat sich über 300 Jahre so ausgebildet, mit dem Internet haben wir erst ein paar Jahrzehnte lang Erfahrung.

    Bei den Internet-Diensteanbietern (so lange wir sie als reine Diensteanbieter begreifen) verhält sich das anders. Das Telemediengesetz (TMG) ist für solche Anbieter zuständig. Es formuliert das so genannte „Provider-Privileg“. Das heißt, die Anbieter sozialer Netzwerke sind für die Inhalte der Nutzer nicht verantwortlich, so lange sie diese Inhalte nicht kennen. Erst wenn sie die Inhalte zur Kenntnis nehmen, tragen sie Verantwortung. Das TMG fordert von den Betreibern sozialer Netzwerke eine am Strafgesetzbuch und den allgemeinen Gesetzen ausgerichtete „Nachzensur“. Das heißt, alles, was „offensichtlich rechtswidrig“ ist (auch da gibt es natürlich Auslegungsunterschiede), muss nach Kenntnisnahme durch den Netzwerkbetreiber von diesem sofort entfernt werden.

    Meines Erachtens hätte eine Novellierung des TMG vollauf genügt. Auch dort hätte man eine „ladungsfähige Adresse“ für Klagen, ein transparentes Lösch- und Wiederherstellungs-Verfahren für Inhalte sowie Fristsetzungen und Bußgelder verankern können. Aber man wollte eben ein DEMONSTRATIVES SIGNAL gegen den grassierenden Rechtspopulismus setzen. Um dieses politische Motiv geht es in meinem Beitrag oben. Inklusive der mit diesem Motiv verbundenen Fragen, ob gut gemeinte Gesetze realitätstauglich sind, ob sie notwendig, eindeutig, wirksam und praktikabel sind. Das ist ja nicht ganz unwichtig.

    Eine praktische Lösung für das Problem des Aussortierens/Auswählens/Löschens von Inhalten (ob vorher oder nachher) nennen Sie leider nicht. Es erschiene wahrscheinlich selbst Ihnen absurd, wenn jeder Ihrer Tweets einer Redaktion vorgelegt werden müsste, die ihn vor der Veröffentlichung auf Wahrheit, Korrektheit und Benimmregeln prüft, also so vorgeht wie in Ihrem Leserbrief-Beispiel. Der Vorteil der „Nachzensur“ in den sozialen Netzwerken ist es immerhin, dass die Gesellschaft das Löschen mitkriegt und dagegen protestieren kann, eine Vorzensur bleibt meist unentdeckt und löst deshalb auch keine Empörung aus.

    Bislang habe ich noch keinen sinnvollen Lösungsvorschlag für das Dilemma gelesen, aber es wird wohl etwas sein müssen, das sowohl dem hohen Gut der Meinungsfreiheit als auch dem Datenschutz und gewissen Mindeststandards im zivilen Umgang miteinander Rechnung trägt. Beginnen muss der Lösungsversuch aber mit der Klärung der Frage, was soziale Netzwerke sind: neutrale Diensteanbieter oder Einfluss nehmende Medien.

    Dass die Internet-Monopole (auf deren Seite Sie mich leider wider besseres Wissen verorten) nicht so bleiben können, versteht sich von selbst. Aber auch ein öffentlich-rechtliches oder gar ein vergesellschaftetes soziales Netzwerk stünde vor den gleichen Problemen.

    Beste Grüße
    Wolfgang Michal

  4. Es gibt immerhin einen positiven Aspekt an der ganzen Sache. Der Gesetzgeber ist ganz allmählich dabei, soziale Medien als einen neuen Medientyp und als grundsätzlich positiv für die Entwicklung der politischen Öffentlichkeit zu erkennen: Facebook-Inhalte werden nicht von Facebook publiziert, sondern Nutzer publizieren selbst auf der von Facebook gestellten Plattform. Darum ist es falsch, soziale Medien für Inhalte verantwortlich zu machen, die auf ihnen veröffentlicht werden. Man muss diese neue Form der Öffentlichkeit als Chance für unsere Demokratie sehen, nicht als Problem.

    Leider ist der Gesetzgeber (noch) nicht bereit, daraus die richtige Schlussfolgerung zu ziehen. Denn die wäre: Die Justiz muss massiv ausgebaut werden, um Gesetzesverstöße von Nutzern schnell und adäquat zu ahnden. Justizausbau und ggf. -reform ist langwierig, kompliziert und kostet Geld, darum hat kein Politiker daran Interesse.

  5. Und die Wirklichkeit sieht so aus (https://blog.fefe.de/?ts=a4b39b81):

    „Niemand der zuständigen Teamleader, Manager, etc. hat überhaupt den blassesten Hauch einer Ahnung, was das neue Gesetz wirklich bedeutet – außer, dass es Ärger bedeuten kann. Die neuen Mitarbeiter haben so gut wie kein Training erhalten und die letzten drei Wochen nur emsig die Seele baumeln und das Bier nach Feierabend fließen lassen. Denn wie so oft kranken die großen Firmen hier in der Steuer-Oase an eklatanter Ahnungslosigkeit in unvorstellbarem Maßstab.“

    „Auf jeden Fall dankt der Irische Staat dem Herrn Maas für neue Arbeitsplätze und die Arbeitnehmer ebenso, denn sie haben ziemliche Narrenfreiheit und wenig Mühe im Job, denn es ist aktuell egal was sie tun, sofern sie im Zweifelsfall einfach „Nein“ anklicken.“

  6. Ich habe nur eine Frage, was hat der Inhalt des Artikels mit der Überschrift zu tun?

    Ich meine, ich kann verstehen, dass die Mehrheit der Menschen inzwischen darauf dressiert ist, Entwicklungen zu personifizieren. Für das NetzDG sind also nicht zwei Parteien, Ministerien und hunderte Politiker verantwortlich – sondern ein einzelner Mann.

    So wie beim Kölner Stadtarchiv, da war es auch nur ein einzelner Polier, der 86% aller Stahlstreben gestohlen hat. Bei VW war es ein einzelner Ingenieur, der weltweit die Software manipuliert und eingespielt hat. Und der zweite Weltkrieg und die Ermordung von mehr als 10 Millionen Menschen wurde von einem einzelnen Mann mit Schnauzer durchgeführt.

    Also diese Personifizierung kann ich verstehen, darauf sind die Menschen gut dressiert.

    Aber was hat es mal dem Bumerang auf sich? Wieso stellt sich das Gesetz aktuell als ein Bumerang heraus? Oder meinen Sie damit nur, dass irgendwann möglicherweise auch Tweets von Maas durch eine andere Regierung gelöscht werden könnten? Ist mir zu spekulativ für die Zeitform der Überschrift.

    Ich verstehe es nicht.

  7. zu 1 | Christian Füller

    Ich beziehe mich auf den zweiten Punkt Ihres Kommentares zum Thema „Kultur des Netzdiskurses“. Meiner bescheidenen Meinung nach verkennen Sie die Problematik, weil Sie – insofern Sie meinen, das NetzDG könne einen Beitrag zur Anhebung des Diskurses leisten – auf Inhalte abstellen, den Einfluss des Mediums selbst aber außer Betracht lassen.

    Am Anfang der Schriftkultur stehen die Herrscherdynastien und die Beziehung zu Gottheiten – bedingt durch das Medium dürften sich z.B. die Stelen mit ägyptischem Hieroglyphen-P0rn relativ selten finden lassen. Am Anfang des Buchdrucks steht die Bibel, gewiss keine Schundliteratur, aber was das Medium macht, kann man schon aus einem einzigen Buch lesen: Don Quijote wendet sich im Akt des Lesens von der Welt ab (und seiner Innerlichkeit zu) und entwickelt sich in Folge des Lesens selbst als bewußtes Subjekt, aber mit einer latent antisozialen Tendenz.

    Nimmt man Facebook als Beispiel: Wie wirkt es sich aus, dass in diesem Netzwerk instantan Alles mit Allem verknüpft werden kann, audio-visuelle Medien bevorzugt werden, Texte nur möglichst kurz sein sollten und dann diejenigen Beiträge, die emotional ansprechen, die weiteste Verbreitung finden. Facebook simuliert soziale Nähe dadurch, dass wir unter einander Emotionsäußerungen teilen. Wenn man eine Affenhorde beim Lausen beobachtet, wäre es wenig sinnvoll zu sagen: „Mehr Hygiene würde helfen.“

    Wollte man Facebook (oder Twitter) näher an einen Diskurs oder einen echten Dialog bringen, wäre eine Maßnahme, das Medium zu entschleunigen (z.B. nur noch 5 Tweets pro Tag, oder nur noch zwei Likes und zwei Beiträge bei Facebook) und audio-visuelle Medien etwa nur noch aus bestimmten Quellen zu erlauben. Aber man merkt schon an diesen im Verhältnis zum Medium quasi reaktionären und vollständig unpraktikablen Vorschlägen, wie sehr das Medium gegen eine nach bisherigem, aus der Buchkultur geprägtem, Verständnis rationale Diskussionskultur gerichtet ist.

    Das NetzDG macht jetzt den Fehler, ein durch das Medium generell induziertes Verhalten als innerhalb des Mediums lösbares Problem des Inhaltes zu behandeln. In Wahrheit ist es doch so, dass wir das gleiche Problem hätten, selbst wenn alle Beiträge bei FB sich jeweils knapp unterhalb der (straf-) rechtlich relevanten Schwellen des NetzDG halten würden – und an der Qualität des Diskurses hätte sich kein Jota verbessert.

    Wichtig wäre aber doch, dass wir medienpolitisch, aber auch in der Medienentwicklung voraus denken. Man könnte ja z.B. darüber nachdenken, dass das Verfassen von FB Beiträgen nur per Spracherkennung (an Hand des hinterlegten Sprachmusters) möglich gemacht würde. Das wäre keine vollständige Deanonymisierung, würde Identifizierbarkeit ermöglichen, löst das Bot-Problem und hätte zudem den Vorteil, dass (außerhalb der ganz hartgesottenen) es irritierend wäre, wenn man sich in der eigenen Stimme vor dem Absenden einen hetzerischen Beitrag anhören müsste.

Trackbacks/Pingbacks

  1. wolf witte - […] „Das #NetzDG: Ein Bumerang für Heiko Maas“ bei Wolfgang […]

Einen Kommentar abschicken

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Artikel über Politik:

Wer steckt hinter dem #Strachevideo?

Noch immer fehlt ein Bekennerschreiben. Und Spiegel und SZ verraten ihre Quelle nicht. Also schießen die Spekulationen ins Kraut. Am Ende könnte die Geheimniskrämerei den Rechtspopulisten mehr nützen als schaden.

EU-Urheberrechts­reform: Zensur ist nicht der Zweck

Nicht die Zensur von Inhalten, sondern die Pflicht zur Lizenzierung ist der Kern der EU-Urheberrechtsreform: Handlungen sollen nicht verhindert, sondern zu Geld gemacht werden.

„Zensur ist, wenn du unterdrückst, was ich gut finde“

Wer Meinungsfreiheit gewährleisten und Zensur verhindern will, muss Medien und soziale Netzwerke demokratisieren. Das zeigt ein Blick in die Entwicklungsgeschichte der Zensur.