Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Urheber sind wie Parmesan. Sie lassen sich gut zerreiben

28. Mai 2011, 19:55

Das Regierungsgerede von „der notwendigen Stärkung der Urheber“ besteht im Wesentlichen aus ideologischen Sprechblasen. Denn um die Urheber geht es bei der Reform des Urheberrechts am allerwenigsten.

Wer bei Facebook, YouTube oder Twitter mitmischen will, muss lange und klitzeklein gedruckte „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ (AGB) akzeptieren. Auch wer Software herunter lädt, Versicherungen abschließt, ein Konto eröffnet oder im Online-Shop einkauft, stößt auf diese verdammten AGB. Akzeptiert man sie nicht, muss man leider draußen bleiben. Diese Prozedur sagt viel aus über das Kräfteverhältnis zwischen Anbietern und Nutzern. Ein User (von Portalen, Produkten und Lizenzen) ist ein klassischer Verbraucher, dem Verbraucher-Rechte meist nur im Ausnahmefall – und dann in homöopathischer Verdünnung – zugestanden werden.

Inzwischen ist aber auch der Urheber zu einem ganz normalen Verbraucher geworden. Denn Verleiher, Verleger & Veranstalter behandeln ihn wie einen klassischen User. Urheber können nur in Ausnahmefällen individuelle Verträge aushandeln, sie müssen – wie alle Verbraucher – ellenlange „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ unterzeichnen, sonst bekommen sie keinen Zutritt zum Markt. Urhebern werden die Bedingungen für den Marktzutritt inzwischen genau so einseitig diktiert wie den Usern. Und im Begriff des user-generated content kommt der fundamentale Wandel auch sprachlich zum Ausdruck.

Der politische Konflikt: Verwerter contra Verbraucher

Seit vielen Jahren wird nun das Urheberrecht von den Lobbyisten – Korb für Korb – zu Tode reformiert. Die Verwerter (auf der einen Seite) und die Nutzer (auf der anderen Seite) wollen das Urheberrecht in ihrem Sinne „weiter entwickeln“: Die Verwerter möchten es verwertungsfreundlicher gestalten, die Nutzer nutzerfreundlicher. Beide Seiten formulieren ihre Ansprüche mit unverhohlener Aggressivität. Nur die Kräfte dazwischen, die Urheber, würden am liebsten still sein und gar nichts reformieren. Tapfer halten sie an ihrer Gattungsbezeichnung fest. Und werden doch zerrieben wie ein Stück Parmesan: zwischen der mächtigen Content-Industrie und den sich allmählich formierenden Verbraucher-Organisationen.

Wahrscheinlich begreifen die Urheber ihre Degradierung auch deshalb nicht, weil sie von der herrschenden Kulturmafia von den handelnden Personen des Kulturbetriebs kräftig eingeseift werden. In zahllosen Sonntagsreden, auf zahllosen Symposien, aber auch in den Sprechblasen der Verbandsfunktionäre wird ihnen weisgemacht, es ginge vor allem um sie – um die Urheber. Dabei geht es ausschließlich um Verwerter und Nutzer. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat dies bei einer Rede während der 8.CDU-MediaNight auf den Punkt gebracht:

„Meine Damen und Herren, zu den Risiken der digitalen Entwicklung gehört, dass der Schutz des geistigen Eigentums nicht gesichert ist… Ein Kernvorhaben mit Blick auf die Digitalisierung ist daher die Reform des Urheberrechts. Hierbei muss eines klar sein: Der Urheber bleibt Ausgangspunkt aller rechtlicher Überlegungen. Für eine Neuformulierung des Schutzzwecks des Urheberrechts zugunsten der Nutzer besteht kein Anlass. Freier Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken kann im digitalen Zeitalter nicht auf Kosten der Kreativen erfolgen, indem das Urheberrecht in ein Verbraucherrecht umgedeutet wird.“

Das Urheberrecht soll also um Gottes willen kein Verbraucherrecht werden, sondern Verwerterrecht bleiben. Denn eine Ausdehnung der Nutzerrechte würde logischerweise zu einer Einschränkung der Verwerterrechte führen. Das ist der zentrale Konflikt bei der aktuellen Debatte ums Urheberrecht. Um die Urheber geht es am allerwenigsten.

Eigentliches Thema der Urheber wäre ein besseres Urhebervertragsrecht

Nun könnte man einwenden, die Urheber seien von Neumann doch ausdrücklich erwähnt worden – als „Ausgangspunkt aller rechtlichen Überlegungen“! Der Kulturstaatsminister habe in seiner Rede nur das wiederholt, was Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schon in ihrer Grundsatzrede zum Urheberrecht im Juni 2010 formuliert hat.

Doch von Urhebern oder Kreativen wird in all den Reden nur deshalb gesprochen, weil sich die Verwerter längst in die Rolle der Urheber hineingedrängt haben. Sie haben die Urheberrechte annektiert – per AGB. Auch die Debatte zum Leistungsschutzrecht verrät ja, wie sehr sich die Verwerter heute als die wahren Kreativen verstehen.

Der alte Urheber wurde auf der Käsereibe zerbröselt. Seine wichtigsten Rechte haben sich die Verwerter einverleibt, die Reste sind – per AGB-Diktat – auf das niedrige Niveau von Verbraucherrechten abgesenkt worden.

Bleibt die Frage, wie lange es dauert, bis die einstigen Urheber (und ihre Organisationen!) begreifen, dass das grottenschlechte Urhebervertragsrecht der entscheidende Knackpunkt ist.

Hier geht’s zur Trilogie des Urheberrechts: Gold, Pest & Parmesan

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5 Kommentare

  1. das ist ziemlich gut erklärt! noch besser wäre, wenn aus den agb für freie journalisten zitiert würde. letztere unterschreiben ja quasi ihr todesurteil selbst (urheberrechtlich gesehen), und zwar, wie hier richtig gesagt wird, aus not, sonst keine aufträge zu bekommen – wenn sie nicht zustimmen, bleiben sie draußen. mit der unterschrift geben Sie ihr copyright ab an die verwerter – und werden daher nur einmal honoriert.

  2. danke.

    gut auf den punkt gebracht.

    aber was nun?

  3. Ich verbringe seit 40 Jahren meine Zeit beruflich in der Musikvbranche, meist auf Seiten der Urheber, der Musiker, manchmal auf Seiten der Verwerter (Plattenfirma). Mir ist kein Vertrag mit einem Musiker bekannt, der AGBs beinhaltet. Jeder Vertrag wird ausgehandelt; Natürlich werden erstmal Standardverträge vorgelegt. Aber Fragen dazu werden – wenn nötig ausführlich – beantwortet und Fragliches erklärt, oft sogar geändert. Auch wird dem Musiker gesagt,w enn er was nicht versteht, soll er einen Anwalt seiner Wahl befragen. In englischen Verträgen von VIRGIN war dieser Anwalts-Konsultations-Tipp sogar in einer Präambel zum umfangreichen (und für den Musiker lukrativen) Plattenvertrag extra hervorgehoben.
    Mit Kleinstfirmen allerdings, wo der alleinige Inhaber oft meist ebenfalls Musiker war, herrscht meist Ahnungslosigkeit, Naivität und natürlich Geldmangel. Vor diesen – na sagen wir mal freundlich: Idealisten – kann nur gewarnt werden; hier wird dem Musiker selten geholfen; der finanzielle Druck wird an den Musiker weitergegeben, d.h. er sieht kein Geld. Ich bin noch nie von ’ner großen Firma beschissen worden; es waren immer solch kleine idealistische (oder ahnunglose aber geldgeile) Kleinst-Labels, die Schwierigkeiten brachten.
    Dass Musiker (& Künstler generell) ebenfalls manchmal die „Bösen“ sind, ist dann noch ein anderes Blatt. Das beschreiben wir dann beim nächsten Mal.

  4. Ich glaube, dass es eigentlich nur zwei Optionen gibt:

    entweder wir anerkennen den Ausgleich zwischen Verwertern und der Allgemeinheit – d.h. Balance zwischen Verwertungsrechten und dem Recht der Allgemeinheit auf Kultur, Information, „Content“

    oder wir verschärfen das Urheberrecht (insbesondere im digitalen Raum) für kommerzielle Nutzung über dem Rahmen eines Kleinstgewerbes dermassen, dass jedes Individuum etwas davon hat und auf diese Weise eine Art Waffengleichheit entsteht, die in einer Kultur-Flatrate enden könnte – dies wäre eigentlich nur ein konsequentes Weiterdenken der Forderungen der Verwerter. Ich denke da an Vergütungen für Twitter-Feeds, Blog-Beiträge, Zitate, die kommerzielle Nutzung von Wikipedia Einträgen und Ideen für Artikel (die, oft genug, wenn sie nicht von der DPA übernommen werden, einfach von Blogs abgekupfert werden), Vermittlungshonorare von 10% für Verlinkungen etc…

    …wenn ich jetzt die diskussionen zur patentierbarkeit einer nase durch den arzt nach der op unter dem titel „kunst“ betrachte, kann es wohl nur besser werden …

    http://ca.gawker.com/5806629/can-you-copyright-a-nose-job-wonders-law-profs

    Weiterführendes: Der Pfad der Lemminge 06.06.2010 http://www.heise.de/tp/artikel/32/32691/1.html Beobachtungen zum Schwarmverhalten kleiner und mittlerer Unternehmen in Bezug auf die „Gefahren“ des Internets. Während sich große Unternehmen …

  5. ein letzter noch, weil mich die behandlung des themas durch unsere politiker dermassen aufregt:

    Umgang von Autoritäten mit dem Internet:

    http://www.tschlotfeldt.de/elearning-blog/1170-gernot-hausar-zum-umgang-von-autoritaeten-mit-dem-internet

    Einschneidende Veränderungen des Urheberrecht und Haftung für Hyperlinks sind Beispiele, die die Arbeit im Bildungsbereich gerade sehr mühsam machen. Häufig löst man solche Probleme dann einfach damit, dass man die Kulturtechnik Internet im Bildungsbereich schlicht nicht verwendet.

    Es ist sicherlich schwierig, Grund- und Bürgerrechte gegen wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen abzuwägen. Trotzdem sollte es in einer funktionierenden Demokratie möglich sein.

    Einen Vorgeschmack einer solchen „Abwägung“ konnte man bei den erfolgreichen Argumentationen der Rechteverwerter zur Verlängerung des Urheberrechtsschutzes in der EU bekommen: So wiegen die Verwertungsrechte für Werke von „tausenden“ Urhebern (die selber an ihrem Werk meist keine Rechte mehr besitzen) schwerer als der öffentliche Zugang zu Wissen und Kultur für etwa 500 Millionen Europäer. Kritische Stimmen aus der Fachwelt, wie beispielsweise jene des Max-Planck-Instituts, werden dabei ignoriert.

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