Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Die fabelhaften Springer-Boys

26. Juni 2011, 15:06

Beim Springer Verlag regiert eine „Wilde Reiter GmbH“. Eine… ähem… „junge Garde“ aus Mittvierzigern, Mittfünfzigern und Mittsechzigern, die auf ihren virtuellen Harleys durch die Medienlandschaft brettert. Eine Mediensatire.

Schach
Springer-Selbstbild: Schach dem König!

Männliche Putztruppen gibt es in vielen Varianten. Mal treten sie als „Ocean’s Eleven“ auf, mal als „Die sieben Samurai“, mal als „Ladykillers“ und mal als „Die Halbstarken“. Der große Unterhaltungswert solcher Gruppen-Filme resultiert aus der Mischung extrem unterschiedlicher Charaktere – und aus der Tatsache, dass alle zusammen eine unschlagbare Seilschaft Einheit bilden.

Auch Mathias Döpfner, Kai Diekmann, Christoph Keese, Thomas Schmid und Manfred Hart, die fabelhaften Springer-Boys, kämpfen seit Jahren mit verteilten Rollen für die gerechte Sache. Sie wollen – endlich! – ihre eigene 68er-Revolution.

Der Anführer der Gruppe, Mathias Döpfner, markiert nach außen den starken Mann. Er würde sonst von seiner wilden Truppe nicht anerkannt. Er schlägt sich, wann immer er sich im Recht wähnt. Und er wähnt sich immer im Recht. Während seine Hausjuristen die letzten Feinheiten des Leistungsschutzrechtes durchspielen, poltert er gegen die Feinde im Internet, gegen die „spätideologisch verirrten Web-Kommunisten“, die seine Inhalte vergesellschaften wollen. Döpfners Hassliebe zu den 68ern, seine klammheimliche Bewunderung ihrer Methoden ist so stark in ihm verwurzelt, dass er immer wieder versucht, ihre Kulturtechniken zu imitieren: durch Sit-Ins auf Podien, durch Sprechchöre in den Medien, durch Provozieren und freches Dazwischenreden in den Mediendiensten. Obwohl seine äußerliche Eleganz und sein Max Raabe-Charme leicht darüber hinwegtäuschen, ist er dem Polterer Franz Josef Strauß nicht unähnlich. So wie der Bayer die eigene Doppelrolle liebte – Tyrann und Rebell zugleich zu sein – so liebt Döpfner das Anti-Autoritäre im Autoritären.

Kai Diekmann, der Zweite im Bunde, ist von anderem Kaliber. Er mimt den Clown in der Springerschen Putztruppe. Da es in jeder verschworenen Gemeinschaft einen geben muss, der die anderen mit Possen und Albernheiten bei Laune hält, hat Kai Diekmann die Rolle des Dieter Kunzelmann übernommen. Wie er mit diebischer Freude die taz vorführt, wie er lustvoll die Rampensau im Internet gibt, das dürfte bei den Herrenabenden im 19. Stock des Springer-Hochhauses immer wieder zu heftigem Schenkelklatschen und lustigem Gejohle führen. Kai Diekmann ist ohne Zweifel der begabteste Rocker der Truppe. Er rockt die Medien, den Papst, das eigene Geschlecht und sogar das widerspenstige Internet.

Extrem anders der Dritte im Bunde, Thomas Schmid. Er ist der dunkle Intellektuelle, der als Chefideologe die Losungen vorgibt und sich aus seiner großen Zeit als „Revolutionärer Kämpfer“ die nötige Intoleranz Strenge erhalten hat. Schmid sorgt dafür, dass immer genügend Windmühlen in der politischen Landschaft herumstehen, gegen die es sich zu kämpfen lohnt. Als politischer Renegat und Gruppen-Ältester hat er die Aufgabe, abends in den schweren Lederfauteuils die Geschichten aus der wilden Zeit zu erzählen, die bei den anderen die Sehnsucht weckt, auch mal so geil auszusehen wie Moritz Bleibtreu in Eichingers Baader-Meinhof-Verfilmung. Doch Schmid wäre nicht Schmid, wenn er die eigene Truppe nicht immer wieder trotzig aus ihren Träumen reißen würde, um sie auf den „Leuchtenden Pfad“ der Erkenntnis zu führen. Er weiß am besten, wie eine Revolution als Farce inszeniert wird. Zwar reicht seine Performance nicht ganz an die von Marlon Brando als Don Corleone heran, aber die Rolle des Professor Marcus in „Ladykillers“ wäre ihm zweifellos auf den Leib geschrieben.

Manfred Hart, der erfolgreiche Chef von Bild.de, ist der Smarte im Hintergrund. Derjenige, der jede Aufgabe, die man ihm überträgt, professionell, geräuschlos und unaufgeregt erledigt. In seiner  Schülerzeitungszeit hat er gelernt, wie man CDU-Anzeigen wegen „Verunglimpfung von Verfassungsorganen“ unbeschadet übersteht: Im Zweifel ist einfach alles Satire. Hart ist der Pragmatiker, der in einer Springer-Komödie („Matthias’ Eleven“?) die Pässe besorgen und den reibungslosen Ablauf des Unternehmens überwachen würde. Obwohl er seinen jüngeren Kumpels die 68er-Maskerade nicht so recht abnimmt, steht er loyal zu allem, was sie tun. Er ist nach außen der Unscheinbarste – aber vermutlich der Cleverste.

Bleibt als Letzter Christoph Keese, der Kleinste im Bunde. Als Außenminister der Truppe, als Mann für die „öffentlichen Affären“ (der anderen Gruppenmitglieder) verfügt er nicht nur über den so wichtigen Welpenschutz innerhalb der Wilden Reiter GmbH, er genießt auch, wie alle Außenminister, den Charme-Bonus die Charme-Boni des professionellen Vermittlers. Keese bügelt glatt, was die anderen rhetorisch vermasseln, er bezahlt die Kollateralschäden und trocknet – wenn keine Wurf-Tassen zur Verfügung stehen – die Tränen der Geschundenen. Er umtänzelt alle Wichtigen und lockt die Widerstrebenden. Seiner Geschmeidigkeit und seiner Arbeitsfreude verdanken die anderen den Anstrich von Seriosität und Kontinuität.

Alle fünf passen so ideal zusammen wie die legendären Bonanza-Boys auf der Ponderosa-Ranch. Nimmt man deren mediale Langlebigkeit zum Maßstab, so werden uns Thomas (Ben Cartwright), Mathias (Adam), Kai (Hoss), Christoph (Little Joe) und Manfred (Hop Sing) noch lange mit ihren tollen Abenteuern erfreuen. Das einzige, was den Fünfen auf ihrer Springer-Ranch wirklich fehlt, ist die Mutter. Denn Friede scheint diese Rolle nicht so recht ausfüllen zu wollen.

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13 Kommentare

  1. hehe wäre hier nicht die gute alice schwarzer als mutter zu nennen ?? 😀

  2. 🙂
    Beiläufig: Gutes Foto, wie die Bedeutungslosigkeit der Bauern dargestellt wird …

  3. „Keese bügelt glatt, was die anderen rhetorisch vermasseln, er bezahlt die Kollateralschäden und trocknet – wenn keine Wurf-Tassen zur Verfügung stehen – die Tränen der Geschundenen.“

    …er trocknet was anderes ab, wenn (weil) er keine Tassen abtrocknen kann… Aber wieso „Wurf“-Tassen? Wieso überhauptt Tassen?
    Auch trocknet man nicht die Tränen sondern das Gesicht oder die Wangen von den Tränen.
    Da oben scheinen einige Mataphern in der Eile und im SChwung verrutscht, ein HiWi der Blödzeitung könnte da sicher noch mehr finden und drauf rumreiten.

  4. Der König auf dem Bild steht doch gar nicht im Schach, ein weisser Bauer könnte doch immer noch ziehen? Oder irre ich mich jetzt??

  5. @Chen: Kein schlechter Tipp
    @Bauer: 🙂
    @Lukas Hauser: Schwarz ist am Zug. Na?

  6. 🙂

    Zur Spezifizierung der Bedeutungslosigkeit der Bauern anhand des Fotos:

    Würde Weiß nur noch den König als Figur besitzen, wäre es in dieser Konstellation zu einem Unentschieden gekommen (Blah, kein zulässiger Zug mehr, kein Schach = unentschieden, recht lästig), was auf die radikale Überinterpretation hinausläuft das Bauern gar Hinderlich sind.

  7. Wo bleibt mein Ulf Poschardt, der Rechtsaußen mit der Blutgrätsche?

  8. Wäre nicht als Titel „Die Nachfahren des Felix Krull“ besser?

  9. @Nochmals Bauer: Wie ich schon sagte: Schwarz ist am Zug. Sieht man doch (Berührt – geführt!).
    @Klaus: Poschardt ist noch nicht so weit.
    @hj: 🙂

  10. …die Bedeutungslosigkeit der Bauern…
    …radikale Überinterpretation hinausläuft das Bauern gar Hinderlich sind.

    Gehe ich richtig in der Annahme, daß sie keine Bauern mögen? Und zwar im richtigen Leben? Da Bauern im Schachspiel zwar nicht die mächtigste Figur darstellen, aber das Spiel entscheiden können, gibt es allen Grund zu dieser Annahme.
    Ich hoffe, sie sind Selbsternährer oder können von der Luft allein leben. Anderenfalls würde ich ihre Einstellung als das bewerten, was sie ist: sie sitzen auf einem (ihnen) „viel zu hohen Roß„.
    Ich gehe aber davon aus, daß sie das Wort Bauer als Synonym verwenden.

    Ein Unentschieden im Schach nennt man übrigens Patt und es bedeutet für mindestens einen Spielteilnehmer keinen „lästigen“ Spielausgang. Der Verlust eines Bauern kann die Niederlage im Spiel bedeuten. Das sollten sie als Schachspieler wissen.

    Demzufolge sind Bauern im Spiel nicht per se hinderlich, sondern sie können allenfalls hinderlich werden. Ebenso, wie es die Pferd- Figur werden kann.

  11. Nachtrag:
    Um bei der Symbolik des Bildes zu bleiben. Der eine Bauer (A4) steht scheinbar völlig ungedeckt. Symbolisiert er etwa das „gespaltene niedere Volk nach dem Motto divide et impera? 😉

  12. DAS ist ja mal feyn – da kennt noch wer die „Wilde Reiter GmbH“! Chapeau!

  13. …überall nur genmanipulierter Mais und stinkende Gülle, die die Bauern vor sich herschieben, riechen sie das eigentlich nicht ? Das Schachspiel als solches müßte zeitgemäßer und realitätsnäher gestaltet werden. Der Sache näher kämen wir, wenn wir
    Bäuerlein durch „BÜRGER“ ersetzen , wenn wir schon beim „Verheizen“ sind, hätten wir dann jedoch den Zeitgeist getroffen ……

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