Die Medien-Debatte dreht sich im Kreis. Eine gewisse Müdigkeit in der Argumentation ist nicht zu übersehen. Sanftes Plädoyer für eine Denk- und Debattenpause.
Ja doch, ich bewundere alle Kollegen, die sich ernsthafte Gedanken um die Zukunft des Journalismus machen. Aber – ehrlich gesagt – ich kann’s auch nicht mehr hören! Es kommt nicht mehr viel Neues. Hier – zusammengefasst – der aktuelle Stand der Erkenntnisse:
1. Der Journalismus der Zukunft wird den gegenwärtigen Journalismus eines Tages ablösen.
2. Zukunftsfähig wird Journalismus nur dann, wenn er die Gegenwart nicht als Bedrohung empfindet.
3. Journalisten, die heute nicht vernetzt sind, werden morgen in den Netzen nicht vorkommen.
4. Alle Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Leser der Zukunft auch tatsächlich die künftigen Leser sind.
5. Die zunehmende Abwendung von den heutigen Medien bedeutet nicht, dass die Zuwendung zu den künftigen Medien nicht zunehmen wird.
6. Im Kampf um die Aufmerksamkeit werden sich Journalisten und Leser mehr anstrengen müssen.
7. Mit der wachsenden Orientierungslosigkeit der Journalisten wächst auch die Navigationsfreude der Leser. Und umgekehrt.
8. Die Nähe zum Geschehen wird die Distanz zu den Lesern bestimmen. Und umgekehrt.
9. Rückkopplungseffekte machen den Journalismus der Zukunft erst dialogfähig.
10. Leser und Journalisten werden immer häufiger die Rollen tauschen. Beide werden deshalb die Frage beantworten müssen: Was macht das mit uns?
11. Die Nachfrage nach Qualitäts-Angeboten wird künftig von der Bereitschaft abhängen, Qualitäts-Angebote auch tatsächlich nachzufragen.
12. Wer den Journalismus der Zukunft finanzieren wird, ist noch nicht raus.
Diese 12 Thesen sind selbstverständlich unbeschränkt einsetzbar, podiums- und massenkompatibel – und schmücken jeden weiteren Workshop, jedes Panel und jede Keynote zum Thema. Aber sind sie die ständige Wiederholung wirklich wert?
P.S. Denen, die trotzdem weiter über die Zukunft des Journalismus nachdenken wollen, möchte ich den ersten Satz des Wikipedia-Eintrags zur „Geschichte des Journalismus“ empfehlen (der eigentlich völlig ausreicht):
„Der Journalismus hat sich im Laufe seiner mehr als 2000 Jahre währenden Geschichte jeweils der neuesten Technologien bedient.“
@ „1. Der Journalismus der Zukunft wird den gegenwärtigen Journalismus eines Tages ablösen.“
Das ist die gleiche Sache wie „der älteste Mensch gestorben.“ In dem Moment in dem der Journalismus der Zukunft den gegenwärtigen Journalismus ablöst, ist er selbst gegenwärtiger Journalismus. Ich glaube, die Frage die wir uns stellen sollte ist eher: „Wann werden wir bemerken, ob der Journalismus der Zukunft den gegenwärtigen Journalismus abgelöst hat?“ Aber das ist ja dann in Ihrer These 2 gesagt. Der Journalismus der Zukunft darf keine Angst davor haben, der gegenwärtige Journalismus zu werden, weil er sonst keine Zukunft hat.
Aber das ist alles Augustinus und ich habe jetzt Kopfschmerzen.
@Alberto Green: Der Erkenntnisgewinn, den Thesen wie die von Ihnen zitierte vermitteln, ist gleich Null. Siehe auch 4. oder 5. Deshalb die Kritik an der Debatte 😉
@ Wolfgang Michal: Das heißt allein ich und vielleicht noch Konstantin Neven DuMont haben geglaubt, dass Sie das ernst meinen? Da stehe ich jetzt aber ganz schön doof da. 😉
Hä? Mehr als 2000 Jahre Journalismus?
Ist dieser Wiki-Eintrag und die kritiklose Wiedergabe hier ironisch gemeint?
Das sind alles nur Behauptungen. Ich möchte Belege sehen.
Welche Massenpodienkompatibilitätsprüfungskommission hat denn ihr Einsatzunbedenklichkeitssiegel unter diese 12 Thesen gesetzt? Und weichen Sie nicht aus! 😉
PS: Hatte ich mich eigentlich schon für das Durchnummerieren der Kommentare bedankt? Danke sehr.
Eine treffende Beobachtung der Zukunft des Journalismus! Und die Thesen sind auch auf die stets originelle Debatte um die Zukunft des Bibliothekswesens nahezu 1:1 anwendbar. Darf ich um Erlaubnis bitten, die Thesen – selbstverständlich mit Verweis auf das Original und dessen Autoren – für das Bibliothekswesen zu adaptieren?
Die Medienjournalisten tanzen den sterbenden Schwan.
Das ist keine Medien-Debatte, denen geht es bestens, sogar meine „Zeitungen“ werden mehr, dicker und dümmer – alles umsonst.
Es ist die Zukunftsangst um das Berufsbild „Journalist“, das letzte schmale Band – das ‚Wir‘ und das ‚Du‘ – zwischen Chefredakteur und Freiem.
Der Berufsstand objektiver, neutraler „Journalisten“ ist heute schon eine prekäre Lebensform oder ein Besitzstand ohne Nachfolger.
Die Krise begann, als die erste Praktikantin sich nicht mehr zum Volonariat hochschlafen wollte, sondern als Berufswunsch PR-Managerin angab…
@Tharben: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ – Daher sind Belege ja wohl etwas schwer zu beschaffen.
@jeeves Hier wird überhaupt nichts ironisch gemeint.
@CH Die Thesen stehen prinzipiell jedem Zukunftsberuf offen.
Merci!
Mir fehlt die These 13: „Journalismus wird sich immer gleich bleiben, wenn auch wohl anders.“
These 13 steht ganz unten.
Gute Thesen! Ich würde noch ergänzen – wobei das nun wieder viel zu inhaltlich ist 😉 – der Übergang besteht darin, dass: die Leser zu Redakteuren und die Redakteure zu Kuratoren werden.
Und, es wird in der Zukunft „noch finalere“ Thesen zur Zukunft des Journalismus geben!