Ach so, Papandreou hat nur geblufft. Ja dann gute Nacht, Demokratie. Griechenland wird künftig verwaltet von einer einheimischen Elite, die ein bisschen Regierung spielen darf.
Der gestern von vielen Kommentatoren (auch von mir) als europäischer Hoffnungsträger in den politischen Olymp gelobte griechische Ministerpräsident hat die Volksbefragung offenbar nur vorgeschlagen, um die Hauptoppositionspartei im griechischen Parlament, die Nea Dimokratia (ND), in die Regierung zu zwingen. Wenn das stimmt (und nicht bloß den Schlingerkurs im Nachhinein zur ausgekochten Strategie verklären soll), dann haben wir es mit einer beispiellosen Instrumentalisierung der Bevölkerung zu tun. Nichts würde die Distanz zwischen Parlament und Volk greller beleuchten als dieser vermeintlich kluge „Schachzug“. Ihr Volks-Idioten, heißt das, habt ihr wirklich geglaubt, wir lassen euch entscheiden?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nach dieser zynischen Volte ruhig bleiben wird im Land. Vielleicht war sie auch der wahre Hintergrund für die eiligen Umbesetzungen in der Armeeführung.
Papandreou hat mit der Rücknahme des Referendums nicht nur jene Gutwilligen verärgert, die in der Volksbefragung ein demokratisches Lebenszeichen inmitten der trostlosen Geröllwüste der Finanzmärkte sahen, er hat mit seiner taktisch motivierten Ankündigung auch die globale Bewegung enttäuscht, die das Recht der 99 Prozent einfordert, die Lebensumstände der übergroßen Mehrheit wichtiger zu finden als die Überlebensbedingungen eines elitären Zockersystems.
Die Griechen werden jedenfalls nicht vergessen, dass ihr Land im politischen Rating mit diesem zynischen Coup auf den Status des Kosovo herabgestuft wird. Die Wiege der Demokratie wird unter Kuratel gestellt. „Eulex Akropolis“ und EU-Sonderbeauftragter können übernehmen.
Update 4.11.: Heute äußerst sich Jürgen Habermas in der FAZ zum tragischen Spieler Papandreou.
Schwer zu durchschauen, aber vielleicht war die Absage ja nur das Resultat einer ganz gewöhnlichen Erpressung durch Merkosy.
Im Zweifelsfall ist mir jemand, der eine Volksabstimmung vorschlägt, um seine politischen Ziele zu erreichen allemal lieber als Staatschefs, die solch eine Abstimmung sabotieren, um ihre fehlende demokratische Legitimation zu kaschieren.
@Michael Simm: Grundsätzlich richtig, was Sie sagen, aber Papandreou hätte in dem Moment zurücktreten müssen, als er merkte, dass das von ihm „mit einem Paukenschlag“ angekündigte Referendum nicht durchsetzbar war. Nun sieht es eben so aus, als sei ihm die Volksabstimmung nicht ganz so wichtig gewesen. Das stützt die andernorts geäußerte Vermutung, dass das Referendum nur sein Einsatz im Parlaments-Poker war. So kann man mit der Bevölkerung nicht umgehen.
Ich tippe auf Militärputsch oder/und Karamanlis. Wäre jetzt wieder einer dran. Ansonsten: Liebermann.
Beim letzten Putsch 1967 war Griechenland noch nicht in der EU. Die EU-Mitgliedschaft ist ja eine Art Schutz dagegen. Aber Vorbereitung auf innere Unruhen – das ist möglich.
Daran rätsele ich rum. Davon ausgehend, mit wem Merkozy alles zusammenarbeitet und -gearbeitet hat, halte ich auch die Duldung einer Militärregierung für möglich. Sie würde für Ruhe und Ordnung sorgen; natürlich müsste sie sich eine pseudodemokratische Strumpfmaske überziehen. Und dieses Mal hätten sie ja nicht den König gestürzt (mit all seinen europäischen Verbindungen), sondern nur Papandreou.
Ich sehe es eher so, dass die – mit Zähneknirschen – demokratischen Beweggründe Papandreous gekauft wurden, daher halte ich den Austausch der Militärspitze gegen natofreundliche Befehlshaber für eine Vorsichtsmaßnahme P.s. Der wird sich bewusst sein, von wo die Axt geflogen kommt. Teufel und Beelzebub: Entweder Aufstände und deren voraussichtlich brutale Niederschlagung, aber Machterhalt, oder Putsch.
Wer Panzer an Saudi-Arabien, Abhörtechnik an ich weiß nicht wen alles liefert und Ungarn klaglos weiterhin als EU-Mitglied akzeptiert, scheint mir der stillschweigenden Billigung all dessen durchaus fähig. Und sowohl Frankreich als auch Deutschland sind medial gut geimpft, alle anderen haben eh nicht viel zu kamellen. Zur läßlichen Sünde ließe es sich allemal herunterspielen. So wahr uns BLÖD und Paris Match helfe.
@vera: Strumpfmaske – das Bild ist wirklich gut 🙂