Wie kann man einen Parteitag so hinbiegen, dass er richtig entscheidet? Warum sind sich innerparteiliche Demokratie und Antragskommissionen oft spinnefeind? Der schwelende Konflikt um die Vorratsdatenspeicherung ist ein Lehrstück darüber, wie Parteien von oben gelenkt werden.
Für den Bundesparteitag der SPD, der vom 4. bis 6. Dezember in Berlin stattfindet, haben die Jungsozialisten einen Antrag eingereicht – den Antrag Nummer 29. Er lautet kurz und knapp „Vorratsdatenspeicherung ablehnen!“ Hier ein Auszug aus der Begründung:
„Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist ein undifferenziertes und rechtlich unangemessenes Überwachungsinstrument, das die Grundrechte in unzumutbarer Art einschränkt und alle Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union unter Generalverdacht stellt…
Wir lehnen die grundsätzliche, verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung (euphemistisch auch Mindestdatenspeicherung genannt) von Telefon- und Internetverbindungen ab, da sie mit den Grundwerten der Sozialdemokratie nicht vereinbar ist…“
Außerdem steht im Antrag der Jungsozialisten dieser Satz:
„Wir warnen davor, dass durch Forderungen nach einer umfassenden Vorratsdatenspeicherung die langwierige inhaltliche und vertrauensbildende Arbeit von Netzpolitiker/Innen in den Fraktionen und Basisgruppen der SPD zunichte gemacht wird.“
Die Jusos stehen mit ihrem Antrag nicht allein. Außer ihnen fordern auch der SPD-Bezirk Mittelfranken, die Unterbezirke München und Aachen-Stadt, der Kreis Rhein-Neckar, einige Ortsvereine und die bundesweite Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung.
Doch die Antragskommission unter dem Vorsitz des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz (Hamburg) schert das wenig. Im Antragsbuch erklärt sie kurzerhand: Der Antrag der Jungsozialisten und die übrigen Anträge zur Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung erledigen sich durch die Annahme des Antrags 30 in der Fassung der Antragskommission.
Dieser ominöse Antrag 30 stammt vom Hamburger Ortsverein Eimsbüttel-Nord. Es ist bezeichnenderweise der einzige Antrag zum Thema, der sich nicht eindeutig gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung positioniert. Ausgerechnet diesen Antrag macht die Antragskommission der SPD aber zur Grundlage ihrer Parteitags-Empfehlung. Ist das nun Zufall oder das berühmte Spiel über Bande? Denken die Mitglieder des Ortsvereins Eimsbüttel-Nord so ganz anders als die übrigen Parteigliederungen oder hat sich da ein Ortsverein „für eine gute Sache“ einspannen lassen?
Erinnern wir uns: Im Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel (zu dem auch der Ortsverein Eimsbüttel-Nord gehört) kandidierte im Wahljahr 2009 völlig überraschend der bis dahin nahezu unbekannte SPD-Politiker Danial Ilkhanipour gegen den Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Juso-Vorsitzenden Niels Annen. Manche SPD-Granden nannten die Art und Weise dieses parteiinternen „Putsches“ gegen Annen „hinterlistig“. Die Wahl Ilkhanipours wurde angefochten – aber vergebens. Im Herbst 2009 verlor die SPD mit dem Kandidaten Ilkhanipour erstmals seit 52 Jahren das Direktmandat im Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel und reduzierte ihren Erststimmen-Anteil um mehr als 20 Prozentpunkte – von 45,1 auf 23,8 Prozent.
Wofür Ortsvereine gebraucht werden
Doch kehren wir zurück zum Thema Vorratsdatenspeicherung und zur Behandlung dieses Themas auf dem anstehenden Parteitag der SPD. Die Antragskommission unter Leitung des Hamburger SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz fand den Antrag des Ortsvereins Eimsbüttel-Nord offenbar wichtiger als die Anträge des Bundesverbands der Jungsozialisten, der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen, des Bezirks Mittelfranken sowie der Unterbezirke München und Aachen-Stadt.
Warum? Weil der Titel des Eimsbütteler Antrags zur Vorratsdatenspeicherung nicht so negativ klingt wie der Titel des Juso-Antrags? Der Eimsbütteler Antrag heißt: „Datenschutz stärken – Vorratsdatenspeicherung eindämmen!“ Und eindämmen heißt eben nicht ablehnen. Hier der Antrag im Wortlaut:
„Die Bundestagsfraktion sowie die SPE-Fraktion im Europäischen Parlament werden aufgefordert, sich vor einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung dafür einzusetzen, dass die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung unter Einsatz der geringstmöglich in die Privatsphäre eingreifenden Mittel und der höchstmöglichen Datensicherheit (vgl. das Scheitern von ELENA) sowie unter Beachtung der Missbrauchsgefahr (vgl. nur den Datenskandal bei der Anti-Nazi-Demo in Dresden) nachgewiesen wird. Sollte es nicht gelingen, eine diesen Anforderungen genügende gesetzliche Grundlage für die Vorratsdatenspeicherung zu schaffen, so werden die Fraktionen aufgefordert, sich für eine Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung einzusetzen.“ (Antrag 30, Ortsverein Eimsbüttel-Nord)
Die Antragskommission der SPD unter Olaf Scholz empfiehlt nun dem Bundesparteitag die Annahme dieses Antrags (in der Lang-Fassung der Antragskommission). Und dabei erlebt man als aufmerksamer Leser die zweite Überraschung: Die Lang-Fassung der Antragskommission hat mit dem Antrag aus Eimsbüttel-Nord praktisch nichts mehr gemein. Der Ortsverein war offensichtlich nur der Steigbügelhalter für die völlige Umkehrung des Parteiwillens durch die Antragskommission. Denn in der Fassung der Antragskommission steht nun Folgendes:
„Insbesondere die von der EU-Richtlinie vorgeschriebene Mindestspeicherdauer von 6 Monaten greift unverhältnismäßig stark in das Grundrecht ein. Dabei zeigt die Praxis, dass eine Speicherdauer von 3 Monaten für den verfolgten Zweck der Richtlinie ausreichend ist. Daher fordern wir, dass die Mindestspeicherdauer der Richtlinie von 6 auf 3 Monate verkürzt wird oder es den Mitgliedstaaten zumindest freigestellt wird, eine kürzere Mindestspeicherdauer festzulegen…
Ein Richter entscheidet auf Antrag der Staatsanwaltschaft darüber, ob die Daten eines Nutzers/einer Nutzerin durch Ermittlungsbehörden bei einem Provider abgerufen werden dürfen. Über einen erfolgten Abruf muss zwingend eine revisionssichere Protokollierung erfolgen…
Im Rahmen dieser Einschränkungen und Einhaltung der strengen Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für eine Umsetzung der Richtlinie festgelegt hat, ist der Abruf der Telekommunikationsverbindungsdaten bei den Providern durch Ermittlungsbehörden ein verhältnismäßiges Instrument.“
So wird aus einem in den Augen vieler SPD-Gliederungen ungeeigneten Instrument durch innerparteiliche Knetübungen ein geeignetes Instrument. Antragskommissionen sind die bewährten Filter, um a) Parteispitzen vor den Zumutungen der Basis zu schützen, und b) die Basis davon abzuhalten, Dinge zu fordern, die über EU-Richtlinien hinausgehen. (Die Europaabgeordneten der SPD haben der Vorratsdatenspeicherung seinerzeit übrigens zugestimmt.)
Diese Knetgummi-Praxis der innerparteilichen Demokratie ist der Grund, warum sich aktive und kritische Bürger in Parteien nicht mehr engagieren. Anfang Dezember werden wir sehen, ob die Delegierten des SPD-Parteitags ihr Scherflein zur Parteienverdrossenheit beigetragen haben.
Update 17.11.: Die Digitale Gesellschaft kritisiert inzwischen die versuchte Manipulation der anstehenden Parteitage von SPD und Grünen scharf. Einige Sozialdemokraten in der SPD sammeln derzeit hier, welche Gliederungen der Partei Beschlüsse zum Thema Vorratsdatenspeicherung gefasst haben.
Update II 17.11.: Die Vorsitzende des Ortsvereins Eimsbüttel-Nord hat inzwischen auf der Ortsvereins-Website erklärt, dass die Antragskommission „lediglich unsere Überschrift für ihre Zwecke benutzt“ hat. Das ist ja noch dreister als ich dachte.
Update III 19.11.: Die an verschiedenen Stellen geäußerte Meinung, der Ortsverein habe sich „eindeutig“ gegen die VDS positioniert, kann ich nicht teilen. Eindeutig (wie bei den Jusos) wäre die Ablehnung gewesen, wenn die Antragskommission weder den Antrag noch die Überschrift für ihre Zwecke hätte benutzen können. Der Eimsbüttel-Antrag (dessen Begründung im Antragsbuch nicht abgedruckt ist) entledigt sich elegant einer eindeutigen eigenen Meinung, indem er die Prüfung der Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung oberschlau an die Fraktionen in Bundestag und Europaparlament delegiert, also an jene SPD-Gremien, die in der Vergangenheit für die VDS gestimmt haben, siehe hier (Bundestag) und hier (Europaparlament).
Update IV 6.12.: Nach zweimaliger kurzfristiger Verschiebung wegen wichtigerer Themen lehnte der SPD-Parteitag heute Nachmittag sämtliche Anträge gegen die Vorratsdatenspeicherung ab und stimmte (trotz D64–Gründung und anderer netzpolitischer Aktivitäten!) für eine dreimonatige Vorratsdatenspeicherung.
Rate mal warum ich eingetreten bin.
Wenn dieser Schildbürger-Streich einer völligen Umkehrung der Mehrheit der VDS-Anträge durchkommt, wird die SPD sich an diesen Parteitag sicher lange erinnern. Die Geduld ist abgelaufen.
Ansonsten laufen die Vorbereitungen diesen Unsinn zu verhindern. Wir werden sehen.
Oh Mann, ziemlich viel Quatsch, der hier steht! Ums kurz zu machen: Nur weil mehrere Verbände und Gremien den Ursprungsantrag unterstützen, handelt es sich nicht um die Position der SPD, so wie es sich oben liest. Umgekehrt ist natürlich auch der Eimsbüttelantrag derzeit nicht die Position der Partei. Das wird sich erst noch zeigen, welche Position sich hier durchsetzt. Die Debatte wird sicherlich ausgiebig, egal, was die Antragskommission _empfiehlt_, egal was der Choreographie ansonsten einfällt. Ist aber schon seltsam, hier die Parteibasis in einem OV als belanglos hingestellt zu lesen, verbunden mit dem Versuch des disqualifizierenden Verweises auf Bundestagskandidatenwahlen.
Das Problem ist ja wohl, dass es keinen Vorschlag, der den Innenministern das was sie unbedingt brauchen zugesteht, gestellt wurde. Das kommt halt davon, wenn man erst einmal die Netzpolitik-Leute zu tode basht weil sie es wagen gegen den Mainstream zu sein und dann eben nur radikale und für Innenpolitiker unannehmbare Total-Verweigerungs-Anträge durchkommen.
@SPD-Mitglied. Ich als zwar nicht SPD-Mitglied, aber der (klassischen) Sozialdemokratie nahestehenden Menschen, wundere mich eigentlich eher darüber, wie man über so etwas unsozialdemokratisches wie die Vorratsdatenspeicherung überhaupt abstimmen muß. Das ist unter anderem auch einer der Gründe, warum ich nicht SPD-Mitglied bin.
Bitte zwischen Prozent und Prozentpunkten differenzieren. Von 45 % auf 23 % sind mehr als 20 Prozentpunkte und fast 50 % Rückgang.
@manu: Stimmt.
@Anonymes SPD-Mitglied: Es ist umgekehrt. Die Antragskommission stellt zwei bundesweite Arbeitsgemeinschaften, einen Bezirk, zwei Unterbezirke, einen Kreis und zwei Ortsvereine als belanglos hin und hängt sich pro forma an den einsamen Antrag eines Ortsvereins.
Hätte sich der Autor die Mühe gemacht, die Begründung des Antrags aus Eimsbüttel-Nord zu lesen, dann würde er nicht zu der falschen Schlussfolgerung kommen, dass wir die VDS nicht „eindeutig“ ablehnen. Es ist vielmehr so, dass der Antrag die Unmöglichkeit eines Nachweises der Notwendigkeit der VDS vor Augen führt.
Hier die Begründung oder Einleitung, auf der der Antragstext basiert:
Die SPD-Bundestagsfraktion hat der Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ mit der Ausschussdrucksache 17 (24) 033 vom 04. Juli 2011 einen ergänzenden Vorschlag für die Handlungsempfehlungen zum Thema Vorratsdatenspeicherung gemacht. Begrüßenswert ist, dass sie darin eine Debatte über die Notwendigkeit und Grenzen der – anlasslosen – Vorratsdatenspeicherung empfiehlt. Allerdings lässt sich die Fraktion dann bereits auf Regelungsdetails ein, die zum Teil datenschutzrechtlich bedenklich sind. Es scheint, als ob die grundsätzliche Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02. März 2010 nicht ernsthaft infrage gestellt wird. Dieses hat jedoch den Weg einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (die es inzwischen aus Irland gibt) zur Überprüfung der in der Europäischen Datenschutzrichtlinie 2006/24/EG vorgesehenen Vorratsdatenspeicherung gescheut. Die Richtlinie verpflichtet alle Anbieter von elektronischen Kommunikationsdiensten, Verkehrs- und Standortdaten der Telekommunikation aller Bürger zum Zwecke der Strafverfolgung zu speichern.
Als Reaktion auf den zumindest auch skeptischen und in der Faktenlage spärlichen Bewertungsbericht der Kommission vom 18. April 2011 (KOM (2011) 225 endg.) hat der Europäische Datenschutzbeauftragte in einer Stellungnahme am 31. Mai 2011 bekannt gegeben, dass die Richtlinie den Anforderungen an die Grundrechte auf Schutz der Privatsphäre und Datenschutz nicht entspreche. Er zieht sogar eine Aufhebung der Richtlinie in Betracht. Grund dafür sei, dass die
– Notwendigkeit der in der Richtlinie vorgesehenen Vorratsdatenspeicherung immer noch nicht ausreichend nachgewiesen worden sei,
– die Vorratsdatenspeicherung weniger in die Privatsphäre eingreifend geregelt hätte werden können,
– die Richtlinie zu viel Spielraum für die Mitgliedsstaaten lasse, um zu entscheiden, für welche Zwecke die Daten verwendet werden können und wem und unter welchen Bedingungen Zugang zu ihnen gewährt werden könne.
Liebe Carola Ensslen, der Autor hat sich nicht nur die Mühe gemacht, den Antrag von Eimsbüttel zu lesen, er hat ihn auch in voller Länge abgedruckt. Und dort steht, wie jeder lesen kann, dass der Ortsverein unter bestimmten Voraussetzungen für eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ist. Neuregelung heißt ja nicht Ablehnung. Beschlossen wird auf Parteitagen der Antragstext (die Begründung dient lediglich der Erläuterung).
Interessant finde ich allerdings, dass Sie richtigstellen, dass die Antragskommission sich Ihrer Überschrift nur bedient hat, um etwas ganz anderes zu fordern. Das macht die Chuzpe der Antragskommission nicht kleiner. Bisher hat der Ortsverein gegen diesen offensichtlichen Missbrauch aber nicht offen protestiert. Oder doch?
So sehr ich es begrüsse, dass die Klarheit, mit der viele SPD-Anträge die Vorratsdatenspeicherung ablehnen, ergänzt wird durch eine kritische Online-Öffentlichkeit,
so sehr wundere ich mich, dass die ganzen anderen nicht von der Antragskommission abgelehnten bzw. grob fahrlässig umgewandelten, progressiven netzpolitischen und digitalgesellschaftlichen Anträge in der erregten Online-Öffentlichkeit ignoriert werden.
Der digitale Wandel wird nicht allein oder wesentlich vom Wohl oder Wehe der Vorratsdatenspeicherung bestimmt, sondern von einem umfassenden kulturellen Wandel, der politisch gerecht und frei gestaltet werden muss.
Aber sei’s drum.
Als jemand, der der Sozialdemokratie nahesteht, kann ich nur fragen: Warum tretet Ihr nicht endlich alle aus der SPD aus?
Soweit mir bekannt ist, sind die Jusos und zumindest ein Vertreter der Bezirke in der Antragskommission persönlich vertreten. Mich würde daher mal interessieren, ob es in der SPD-Antragskommission eine Diskussion zu diesem Votum gegeben hat und ob die Vertreter der „übergangenen“ Antragssteller (dann wohl die Jusos und Mittelfranken) zumindest den Versuch gestartet haben, ein anderes Votum der Antragskommission zu erreichen. Häufig läuft es doch so ab, dass alle, die sich mit einem Thema nicht wirklich auskennen (was bei VDS schon mal vorkommen soll) dem Vorschlag des Votums ohne größere Gedanken folgen. Ich denke daher, es macht schon einen Unterschied, ob dieses Votum mit oder ohne Debatte in der Antragskommission zustande gekommen ist.
Aber ganz egal, wie das Votum der Antragskommission aussieht: Souverän über die Beschlüsse ist der Parteitag und nicht die Antragskommission.
@Volker Birk: Jeder muss wohl seine eigenen Erfahrungen machen. Ich z.B. bin nicht Mitglied einer Partei.
@Jean Jaurès: Das Antrags-Buch hat 777 Seiten. Das ist natürlich eine Zumutung. Es sind aber oft nicht mehr die alten Bezirke in der Antragskommission, sondern die Vertreter der Landesverbände (Ausnahme: Hessen und Niedersachsen). Die AGs sind, glaube ich, nicht vertreten.
In einem Punkt haben Sie Recht: Souverän ist letztlich der Parteitag.
@Volker Birk ich bin genau aus diesem Grunde, der Haltung der SPD zur VDS ausgetreten.
Wenn man jedes Mal wegen eines Winkelzuges oder Versuchs eine bestimmte Meinung durchzudrücken aus einer Partei austritt, dann gäbe es keine Parteien mehr. Das muss man eben durchfechten. Das gehört halt auch dazu. Als ob das nur bei Bundesparteitagen so wäre. Das kann man in X-beliebigen Gemeinderäten durchaus auch erleben.
Der Versuch in diesem Fall ist allerdings so dreist, dass die Delegierten auf dem Parteitag hoffentlich ihre Meinung dazu sagen. Auch der genannte Ortsverein sollte über eine Wortmeldung nachdenken.
@robin
Der Knackpunkt ist die Identifikation. Mein erstes Kreuz bei einer Wahl machte ich bei der SPD. Und ich habe auch danach munter weiter mein Kreuz bei der SPD gemacht. Bis die Partei schwarz angelaufen ist und sich auf Politik verlegt hat, die den traditionellen sozialdemokratischen Werten, nämlich Freiheitlichkeit, soziale Gerechtigkeit, Humanismus, Solidarität, Pluralismus und Wohlfahrt, spottet.
Jetzt befinde ich mich in einer Lebensphase, in der ich mich eigentlich für eine Partei engagieren könnte – wenn es eine gäbe. Ich finde keine Partei, die klassische sozialdemokratische Werte vertritt. Schon gar nicht eine SPD, die latente Ausländerfeindlichkeit und soziale Zersplitterung wahlweise duldet oder mit ihr kokettiert. Gleiches gilt für die versteckte Drangsalierung durch Überwachung (auch abseits der VDS), wo die Seeheimer Partei Deutschlands mitmarschiert, statt ihr deutlich entgegenzutreten. Ich weiß nicht, ob das für die Mehrheit zutrifft, aber wenn nicht, warum tritt diese Mehrheit der bestimmenden Minderheit dann nicht in den Hintern? Entweder bestimmt die Mehrheit die Linie (dann ist die SPD nichts für mich) oder sie lässt sich die offizielle Linie von oben aufoktroyieren (was sie aufgrund von Demokratieversagen nicht besser macht).
Und letzten Endes lässt sich mindestens bis 1998 die Entwicklung zurückverfolgen, dass nicht der Beste reagiert, sondern der, den das Wahlvolk für das geringste Übel hält. Als jünsten Beweis darf wohl die Wahl in Hamburg herhalten, die eine pure Protestwahl war, mit dem Ziel, die Union für ihr Versagen zu entmachten und die Grünen für ihre Senatsherumhurerei abzustrafen. Mag sein, dass die SPD kurzfristig den Negativtrend der 2000er umkehren kann – spätestens nach der ersten Legislaturperiode in erneuter Regierungsverantwortung aber wird sie für die Eigenschwärzung wieder ins Tal der Tränen zurückkehren, weil ihr für die neue Zielklientel die Themen fehlen (denn die vertritt die Union glaubwürdiger, sie hat ja auch 60 Jahre Übung darin) und für das Auftreten im Sinne der eigentlichen Klientel (die aus lauter Verzweiflung entweder nicht wählt oder eine der beiden Kompromisse namens Linke und Piraten) fehlt schlicht der Charakter, sowohl in den Führungsgremien wie auch in der Basis, die die Führungsgremien entsprechend besetzen müsste. Wie man an diesen Winkelzügen in Sachen VDS sieht.
Anthraxkommission.
@robin: wir verdanken der früher einmal sozialdemokratischen Partei neben der Vorratsdatenspeicherung u. a. filgende „Winkelzüge“: massiven Sozialabbau, die Steuerbefreiung bei Unternehmensveräußerungen, das verfasungswidrige Luftsicherheitsgesetz, das den Abschuss von Flugzeugen ermöglichte, Kriegseinsätze u. A. in Afghanistan und am Horn von Afrika, die Zustimmung zum Lauschangriff, Kompetenzerweiterungen der Geheimdienste, biometrische Daten in Ausweispapieren, Verschärfungen der Ausländegesetze, Herrn Steinmeier, der im Fall Kurnaz „wieder so entscheiden würde“, mithin Deutsche den kriminellen Handlungen der Amerikaner ausgeliefert lassen, das Terrorismusbekämpfungsfesetz, das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz, das BKA-Gesetz und diverse andere Gesetze, mit denen Bürgerrechte beschnitten und der Sozialstaat faktisch abgeschafft wurde. Außerdem verdanken wir der SPD (Müntefehring) die bahnbrechende und durchaus erhellende Erkenntnis, dass es unfair ist die Arbeit der Partei am Wahlprogramm zu messen. Wer da noch Argumente braucht der Partei den Rücken zu kehren, war nie echter Sozialdemokrat.
@M. Boettcher
Und nicht zu vergessen (aus aktuellem Anlass, siehe beispielhaft bei SpOn: http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,798842,00.html) die allseits beliebte Riester-Rente…
Ein Wort fehlt mir hier. Das ist kein „Mangel an innerparteilicher Demokratie“ oder eine „Umkehrung des Parteiwillens durch die Antragskommission“. Nein, es ist vor allem eines: Ein Skandal.
Die SPD Erlangen hat einen Antrag zur Reform der Antragskommission beschlossen. Bitte um Weitergabe und Unterstützung!
http://www.facebook.com/notes/linkes-forum-mittelfranken/innerparteiliche-demokratie-und-meinungsvielfalt-st%C3%A4rken-bitte-verbreiten-und-un/10150759125809137