Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Content-Farmen wollen den Markt für Texte umpflügen

5. Dezember 2011, 11:28

Vor zehn Jahren bekamen es schon die Fotografen zu spüren, nun sind die Autoren dran: Microstock-Agenturen wollen Texte für Mini-Beträge verkaufen. Und die Post möchte ganz vorne mit dabei sein.

Noch fristen die neuen Textverwertungs-Portale für Autoren ein Schattendasein. Denn „keine Redaktion“, schrieb der freie Journalist Ulf Froitzheim, „baut so eine Art von Textbeschaffung in ihre Geschäftsprozesse ein. Warum sollte sie auch? Wer Lücken zwischen den Anzeigen kostengünstig füllen will, hat genug PR-Material gratis zur Verfügung…“ Deshalb müssen sich die bestehenden Textverwertungs-Portale bislang mit der Kreisklasse begnügen. Abnehmer sind Anzeigenblättchen, Kundenmagazine, PR-Beilagen, Broschüren, Ratgeberseiten, Onlineportale, Newsletter, Klein- oder Kleinstunternehmen. Die Medienbranche nimmt das Geschäftsmodell nicht ernst.

Der Grund für das allgemeine Zögern liegt aber nicht nur bei den desinteressierten Redakteuren, sondern auch bei den freien Autoren. Sie befürchten, sich als Verlierer zu outen, wenn sie ihre Texte nicht direkt an Redaktionen, sondern billig über anonyme Internet-Portale verkaufen. Sinnvoll wäre dieser „Umweg“ für Journalisten nur, wenn kompetente, von der Medienbranche akzeptierte Makler Autorentexte im persönlichen Gespräch an Redakteure vermitteln würden. Könnten sich solche „Text-Agenten“ im Alltags-Journalismus etablieren, würde sich vielleicht auch ein entsprechender Markt bilden. Aber wie soll das funktionieren? Anders als bei Literaturagenten, die Buchverträge unter Dach und Fach bringen, sind 15 Prozent Provision für die erfolgreiche Vermittlung eines 100-Euro-Artikels ein lächerlicher Betrag. Ein Agent müsste schon 300 Beiträge im Monat vermitteln, um mit dem eigenen Makler-Büro halbwegs über die Runden zu kommen.

Content-Farmen haben mit Journalismus wenig zu tun

„Täglich neue Themen“ verspricht die Agentur Raufeld Medien auf ihrer Internetseite. Täglich neue Themen – das sind dann z.B. Texte über… Erdbeeren. 5300 Zeichen, Fotos inklusive = 60 Euro. Oder über Entspannungstechniken: 9623 Zeichen, 3 Bilder = 100 Euro. Wer kauft das? Physiotherapeuten mit Ayurveda-Zusatzausbildung für die eigene Homepage? Marmeladenfachmagazine?

Als erstes Billig-Portal ging 2006 Richard Rosenblatts Demandmedia in Kalifornien an den Start. Die clevere Idee dahinter: Wir bieten Texte zu Themen, die stark (nach)gefragt werden. Das US-Portal orientiert sich deshalb am Ranking der Anfragen bei Google & Co.

Produziert werden die Billig-Texte anschließend wie Eier in Legebatterien. Der Aufwand darf nicht allzu hoch sein. Im Wesentlichen geht es wohl darum, vorhandenes (Lexikon-)Wissen immer wieder neu zusammenzustellen. Copy & Paste dürfte eine gängige Methode sein.

Eine neue Transportdienstleistung der Post – oder mehr?

In Deutschland werben Content-Farmen mit dem Anspruch, „richtigen Journalismus“ zu bieten. Neben der Burda-Tochter Suite101 (die neuerdings Probleme mit dem Google-Ranking hat) ist das überraschenderweise die Deutsche Post. Das Bonner Großunternehmen, das mit dem Vertrieb von Verlagsprodukten noch immer 800 Millionen Euro Jahresumsatz macht, möchte in neue Bereiche vorstoßen und sein Dienstleistungsportfolio im Internet deutlich ausbauen. (Der kleine „Online-Shop für Qualitätsjournalismus“ Spredder hat sich im Sommer 2011 dem Post-Projekt angeschlossen).

Verantwortlich für das Bestreben, auch im Internet am Transport von Inhalten zu verdienen, ist neben Gerd Kühlhorn, dem Ex-Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins impulse, ein ganzer Stab aus ehemaligen Verlagsleuten. Sie versuchen, mit viel Engagement eine Brücke zu bauen zwischen den Anbietern (den Journalisten) und den Abnehmern (den Verlagen). Unterstützt werden sie dabei – zumindest ideell – vom Deutschen Journalistenverband (DJV), der einen hohen Anteil freier Journalisten in seinen Reihen hat.

Doch zwischen den freien Autoren und den Verlagen gibt es (noch) eine wichtige Instanz: die Redaktionen. Und die denken nicht daran, bei einem Text-Shop der Post Artikel zu bestellen, die dort bereits fertig vorliegen. Redaktionen wollen – so lange sie von den Verlagen noch nicht kaputtgespart sind – Beiträge lieber individuell und nach eigenen Vorgaben und Kriterien in Auftrag geben. Das gehört zu ihrem Job.

Zwar suggeriert die Post mit der Namensgebung für ihr Portal „DieRedaktion“, dass auch bei ihr kompetente Menschen für den Umschlag von Texten sorgen, doch in Wahrheit sind Kauf und Verkauf weitgehend automatisiert, um die teuren Betreuungskosten zu sparen. Ergebnis: Viele Interessenten finden sich auf dem Portal nicht zurecht und fragen sich, was sie dort überhaupt anbieten sollen. Und für wen?

Nun mag die Post ein potenter Vertriebsprofi sein – das Grundprinzip der Textvermittlung hat sie noch nicht ganz verstanden. Die Macher des Portals gehen davon aus, dass sich Texte verkaufen lassen wie Briefmarken oder Buchstabensuppe: Bitte 100 Gramm hiervon und 250 Gramm davon. Das kann nicht funktionieren, jedenfalls nicht im Journalismus. Ohne den ständigen Austausch mit Redaktionen und Autoren wird das Projekt also weiter fremdeln und letztlich scheitern. Auch das „Gütesiegel“ des Deutschen Journalistenverbandes kann daran nichts ändern.

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4 Kommentare

  1. zu Raufeld „..“Täglich neue Themen” verspricht die Agentur Raufeld Medien auf ihrer Internetseite. Täglich neue Themen – das sind dann z.B. Texte über… Erdbeeren. 5300 Zeichen, Fotos inklusive = 60 Euro. Oder über Entspannungstechniken: 9623 Zeichen, 3 Bilder = 100 Euro. Wer kauft das? Physiotherapeuten mit Ayurveda-Zusatzausbildung für die eigene Homepage? Marmeladenfachmagazine?“

    Die Frankfurter Rundschau. Ganz tolles Marmeladenfachmagazin.

    lg aus FFM
    Sylvia

  2. Lieber Herr Michal,

    wir freuen uns sehr darüber, dass wir in den Blickpunkt Ihrer Berichterstattung geraten sind. Sie haben die Motivation der Deutschen Post, ein Journalismusportal aufzubauen, sehr treffend dargestellt. Vielleicht darf ich noch einen Punkt anführen, der auch in unseren Diskussionen mit Journalisten immer wieder angesprochen wird. Die Deutsche Post setzt mit dieser Börse nicht auf Massenproduktion zu Niedrigstpreisen, sondern auf Qualitätsjournalismus, für den auch ein ordentliches Honorar zu erzielen ist/gezahlt wird. Ob das funktioniert, wird sich zeigen. Wir sind die Ersten, die dies in dieser Größe versuchen. Aber wir sind deshalb keine Altruisten. Dieses Portal muss sich für uns ebenso lohnen wie für Anbieter (Journalisten) und Nachfrager (Verlage und Unternehmer). Um eine Anfrage einer darüber erbosten Kollegin zu zitieren: „Stimmt es, dass die Post mit diesem Portal Geld verdienen will?“ Ja – aber natürlich, was denn sonst? Aber wo ist der Frevel daran?

    In einem Punkt indes möchte ich Ihren Bericht gerne klarstellen. In Ihrem Beitrag erscheint die Journalismusbörse in einem Umfeld, das den Eindruck erweckt, auch die DieRedaktion.de sei eine Content-Farm wie etwa das amerikanische Produkt Demand Media. Tasache ist – wir sind genau das Gegenteil von Demand Media. Und das würde ich gerne noch belegen wollen:

    Sie sagen: Die Medienbranche nimmt unser Geschäftsmodell nicht ernst. Tatsache ist, eine ganze Reihe von Redaktionen probiert derzeit die Journalismusbörse aus, darunter beispielsweise auch mehrere Redaktionen des Axel-Springer-Verlags, aber auch Wirtschaftsmagazine und andere ehrenwerte Publikationen.

    Sie sagen: Abnehmer seien allenfalls Anzeigen-Blättchen, Kundenmagazine etc. – alles Kreisklasse. Tatsache ist, ja, das machen wir, denn das ist ein Teil des Geschäftsmodells. Wir finden es nicht verwerflich, wenn Journalisten die Ergebnisse ihrer Arbeit nochmals in Einnahmen verwandeln können. Und wir habnen auch keinen Dünkel gegenüber Journalisten in den Redaktionen von Anzeigenblättern (sind das per se schlechtere Kollegen? Oder die Redakteure und Redakteurinnen von Kundenmagazinen, die inzwischden oft mit Produktionen aus Verlagsredaktionen qualitativ mithalten können (unter anderem, weil sie von Magazinredakteuren erstellt werden.)

    Sie sagen, Redaktionen hätten keinen Bedarf an Anbietern wie der Journalismusbörse, sie wollten lieber Beiträge nach ihren eigenen Kriterien in Auftrag geben. Genau das ist ein wesentlicher Bauteil der Journalismusbörse. Hier finden sie schnell eine Auswahl kompetenter Journalisten, und das in dieser Form einzigartige Portal bietet die Möglichkeit zu einem höchst individuellen Briefing – das hier im Gegensatz zu den bislang häufig nur mündlich vereinbarten Rahmenbedingungen für die Erstellung eines Textes schriftlich niedergelegt wird – das zum Beispiel bietet mehr Rechtssicherheit für beide Seiten.

    Sie sagen, viele Interessenten finden sich auf dem Portal nicht zurecht. Was daran richtig ist: Es stimmt, noch läuft nicht alles optimal und rund. Das Portal ist nun mal gerade neun Monate auf dem Markt und wir haben die It-sStruktur innerhalb von knapp sechs Monaten aufgebaut. Das passiert auch anderen, dass es bei so viel Eile und so viel Eifer hier und da noch mal hakt. Unser Team steht jedem Kollegen, jeder Kollegin persönlich zur Verfügung, wenn man auf der Website nicht weiterkommt. Rückmeldung und Behebung von Fehlern innerhalb von 24 Stunden schaffen wir in gut 90 Prozent der Fälle.

    Sie sagen, die Kollegen wissen nicht, was sie anbieten sollen. Auf unserer Webiste bieten wir an, fertige Artikel zur Zweitverwertung zu verkaufen. Und ein Profil auszufüllen, um in den Blick potenzieller Auftraggeber zu geraten (Kriterien: wo bisher publiziert, Referenzen, Schwerpunkte der journalistischen Arbeit) – das scheint mir jetzt nicht wirklich zu schwierig zu sein. Und wie gesagt, im Einzelfall helfen wir gerne weiter.

    Sie sagen, Texte kann man nicht wie Briefmarken verkaufen. Ich sage, kann man doch. Und wer sich nicht darauf einlassen will, braucht dann eine Alternative Einnahmequqelle. Wir bieten beides – den automatisierten Verkauf (Was ist die Alternative – 200 Redaktionen persönlich anzumailen? Gerade die Automatisierung des Verkaufs von Zweitlizenzen bringt Freien ganz neue Chancen: Meist erreicht ihr Netzwerk kaum mehr als zehn Verlagsadressen, die Journalismusbörse bietet die Möglichkeit, auf einen Schlag und ohne großes Zeit-Invest und ohne jegliches finanzielle Risiko, bei 50, 100 oder mehr Redakationen sichtbar zu werden. Dies ist keine Garantie für mehr Umsatz! Aber eine Chance, die sonst niemand anders in der Branche bietet.

    Eine Schlußbemerkung möchte ich noch anfügen. Aus meiner Sicht geht es in den nächsten Jahren in der Medienbranche nicht um die Frage, schaffen die freien Kollegen den Umstieg ins Internet-Zeitalter. Das ist eine rein technische und untergeordnete Frage. Die eigentliche Aufgabe heißt: Journalisten müssen lernen, wie Unternehmer zu handeln (Jeff Jarvis). Dazu bietet ihnen das Internet viele Möglichkeiten. Und wir sehen unsere Aufgabe darin, freie Kollegen fit zu machen für diese neue und ungewohnte Rolle als Unternehmer. Das kann man gut oder schlecht finden – ändern können wir es nicht. Aber wir sind diesem Prozess nicht hilflos ausgeliefert, wir können darauf reagieren.

  3. Lieber Herr Kühlhorn,
    ich glaube Ihnen ja gern, dass Sie das Portal so verstehen möchten, aber die Praxis sieht – bislang jedenfalls – anders aus. Und da fragt man sich: Warum ist das so? Liegt es nur daran, dass die Journalisten ihre Chancen nicht erkennen oder gar ein falsches Selbstverständnis pflegen? Oder gibt es andere Gründe. Bisher hat die Post noch keine Umsatzzahlen genannt.

  4. Die Journalismusbörse der Post wurde seitens der Verlage mit Tausenden von Nachrichtentexten aus ihren Archiven zugemüllt, die schon längst jede Aktualität verloren haben.

    Bei der Stichwortsuche kommen dann Ergebnisse wie „Die Bundesregierung plant Änderungen im Mietrecht“ vom August 2011 oder „Senat verschiebt Berliner Gesetz zum Klimaschutz“ vom März 2011.

    Artikel der freien Journalisten gehen in dieser Textmasse unter. Ich habe es jedenfalls schon längst aufgegeben, auf der Post-Plattform nach vernünftigen Artikeln zu suchen…

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