Wolfgang Michal
Umbrüche & Entwicklungen

Nie wieder Telekom!

15. Dezember 2011, 20:19

Am 18. November wurde bekannt, dass der für Innovationen zuständige Vorstand der Telekom, Edward Kozel, überraschend gekündigt hat. Ich weiß auch warum. Er hat vermutlich solche Geschichten erlebt wie ich.

6. November 2011: Mein Telefon funktioniert nicht. Weder kann ich telefonieren noch Anrufe entgegen nehmen. Über Handy versuche ich, den Störungsdienst der Deutschen Telekom zu erreichen. Zunächst über die Nummer für Privatkunden, dann – ich bin Freiberufler – über die Nummer für Geschäftskunden. Keine Chance. No pasarán! „Zur Zeit sind alle Kundenberater im Gespräch. Bitte warten Sie.“ Ich warte. Im Ohr die (nervtötende) Endlosschleife: „Heyheyyhey… aioaoaii… hellohollahello… aiooi… Zur Zeit sind alle Kundenberater im Gespräch. Bitte warten Sie…aio-aoii… heyheyyhey…“ Ich warte. Zwei Tage lang geht das so.

8. November: Der Durchbruch gelingt. Eine Computerstimme meldet sich. Ich nenne den Grund meines Anrufs und bestätige, dass es um die Nummer des Anschlusses geht, um den es tatsächlich geht. Im komme mir vor wie in der Schule beim Gedichte aufsagen. S-T-Ö-R-U-N-G — J-A — N-E-I-N — 0-9-8-7-6-5-4-3-2-1. Ist alles deutlich genug aufgesprochen, werden die Antworten wiederholt. „Störung, gut! Betrifft das…“ „Heyheyyhey…aio-aii“.

Schließlich meldet sich ein Mensch. Ich trage mein Problem vor. Die Dame bittet um einen Moment Geduld. „Aioa… helloholla…“ „Wir prüfen jetzt Ihre Leitung“. „Heyheyyhey…“ Bis zum Übergabepunkt scheint alles in Ordnung zu sein. Vermutlich ist die Telefonanlage kaputt oder ein Kabel oder eins der Telefone. Ich verspreche, alles noch mal zu prüfen und mich anschließend wieder zu melden. Ergebnis: Es ist die Anlage. Ich wähle den Störungsdienst, um Bescheid zu geben, aber der Kundenservice die Firewall der Telekom hält allen Attacken stand: „Aio-aii… heyheyyhey.“

Da das Internet weiter funktioniert, logge ich mich ins Telekom-„Kundencenter“ ein und melde per Mail, dass ich nicht zur Störungsannahme durchkomme. Ich würde aber gern den Kundendienst beauftragen, damit er eine neue Telefonanlage installiert. Keine Rückantwort.

11. November: Geschafft. „Aioa-aii!!!“ Ich habe einen Termin.

14. November: Der Techniker ist da. Da ich krank im Bett liege, höre ich nur, wie er mit meiner Frau durchs Haus geht und redet und redet und redet. Er schaut sich alle Telefone an, um anschließend festzustellen, dass die Anlage kaputt ist (was wir eigentlich schon wussten). Eine neue Anlage hat er aber nicht dabei. Für die Installation, sagt er, müssten wir einen Extra-Termin vereinbaren. Dann schreibt er seinen Tätigkeitsbericht. Es dauert knapp zehn Minuten – was als Arbeitszeit in die Rechnung mit einfließt.

Hier die Rechnung:

Individuelle Serviceleistung: 40 Minuten = netto 74.85 €.

Prüf- und Konfigurationsarbeiten: 5 Minuten = netto 15,21 €.

Fahrtpauschale = netto 40,90 €.

Macht zusammen 155,84 € brutto. Ein stolzer Preis für 45 Minuten „Service- und Prüfleistung“.

Dank einer geschickten Aufteilung der Arbeit in Service- und Prüfleistungen (was mag wohl der Unterschied sein?) werden für die 40 Minuten Serviceleistung 3 Arbeitseinheiten á 15 Minuten und für die 5 Minuten Prüfleistung 1 Arbeitseinheit á 15 Minuten angesetzt. Die Telekom berechnet Leistungen nämlich nur „je angefangene Viertelstunde“. Hätte die Serviceleistung zwei Minuten gedauert und die Prüfleistung drei, müsste der Kunde 30 Minuten Arbeitszeit bezahlen (plus Fahrtpauschale!). Sage einer, die Telekom wäre nicht kreativ!

15. November: Nach zahllosen weiteren Versuchen, die Warteschleife des Störungsdienstes zu knacken – „hellohollahello…aio-aii“ – kann ich die Installation einer neuen Anlage (einer Eumex 800) endlich in Auftrag geben.

17. November: Die Anlage kommt per Post. Preis: 199,99 €, plus 6,99 € Versandkostenpauschale. Bei Amazon hätte die gleiche Anlage nur 147,02 € gekostet und wäre für 4,50 € verschickt worden. Am 17. November trifft (mit getrennter Post) auch die Auftragsbestätigung ein. Darin heißt es: „Um Ihren Auftrag auszuführen, kommt unser Technischer Service zu Ihnen. Wann? Am 12.12.2011.“ Einmalige Kosten: 69,98 €. Ich schaue auf das Datum. Kein Irrtum. Geschlagene vier Wochen soll ich auf die Installation der Anlage warten.

18. November: Ich möchte den Termin vorverlegen. „Heyheyyhey… hellohollahello… aioaii…“ „Zur Steigerung unserer Servicequalität zeichnen wir einige Gespräche auf. Wenn Sie mit der Aufzeichnung des Kundengesprächs einverstanden sind, sagen Sie bitte JA“ „Zur Zeit sind alle Kundenberater im Gespräch“. „Aio-aii… hellohollahello…“ „Wenn Sie die Beratungsleistung im Anschluss bewerten möchten…“ „Heyheyyhey…“

Nach etwa einer Stunde meldet sich eine nette Dame. Sie hat sehr viel Verständnis für mein Problem. Sie sagt, sie werde mich gleich mit dem Technischen Kundendienst verbinden, damit ich einen früheren Termin bekomme. Vorher möchte sie mir aber noch das Telekom-Komplettpaket „Entertainment Home“ ans Herz legen, mit dem ich im ersten Jahr über 100 Euro sparen könnte, ein echtes Super-Schnäppchen, säuselsäusel… Ich werde es mir überlegen, sage ich, denn ich will die nette Dame nicht verärgern. Bleiben Sie in der Leitung, sagt sie… knack… Tüüt-tüüt-tüüt-tüüt-tüüt. Die Verbindung ist gekappt.

Die gleiche Prozedur von vorn. „Um was geht es?“ STTTTÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖRRUNG!!!!!!! „Geht es um den Anschluss, mit dem Sie gerade telefonieren?“ S-C-H-E-I-S-S-L-A-D-E-N. „Gut, dann verbinde ich Sie mit dem nächsten Kundenberater…“ Eine zweite Dame meldet sich. Wieder muss ich das Problem von Anfang an erklären. Mein Ton ist vermutlich etwas sarkastisch. Sie überhört es. Ob ich an einer kleinen Umfrage zu den Serviceleistungen der Deutschen Telekom teilnehmen möchte? Es dauere nur 5 Minuten. NEIN, MÖCHTE ICH NICHT!! Gut, ich werde Sie jetzt mit dem Technischen Kundendienst… MOMENT!! Tüüt-tüüt-tüüt-tüüt-tüüt-tüüt. NEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIINNN!!!!!!!!!!!!! Ich beiße ein Stück aus dem Schreibtisch und spucke es schreiend in den Kaktus.

Jetzt will ich es wissen. „Heyheyyhey… aio-aii… Damit Sie mit dem passenden Kundenberater verbunden… Um was geht es?“ ES GEHT UM IHREN SCHEISSLADEN! „Wenn Sie mit einer Aufzeichnung des Gesprächs…“ A………R!! „Sie werden gleich verbunden. Haben Sie noch etwas Geduld“. „Aioa-aii… helloholla…“. Als sich die dritte Dame meldet, bin ich auf 180.

„Nicht in diesem Ton!“ sagt sie streng. Ich reiße mich zusammen. Ich bin schließlich nur ein Kunde, einer kleiner Telekom-Kunde unter Millionen… Ich schluchze ihr mein Leid ins Telefon. Der Technische Kundendienst, sagt sie, dürfe Aufträge derzeit um höchstens zwei Tage vorverlegen. WIE BITTE?? IST DAS IHR ERNST? So sind nun mal unsere Vorgaben. Ich könnte Ihnen aber vielleicht den 9.12. anbieten, soll ich Sie mit dem Technischen Kundendienst verb… NEEEIIIN, NICHT VERBINDEN!! Ich möchte den Auftrag STORNIEREN. Nur stornieren. Könnten Sie mir das bitte bestätigen?

Noch am gleichen Tag, am 18. November, geht die schriftliche Stornierungsbestätigung der Telekom in die Post: „Sehr geehrter Kunde, Sie haben uns mitgeteilt, dass Sie Ihren Auftrag mit der Nummer 800….. ganz oder teilweise zurückziehen möchten – schade, wir hätten diesen gern für Sie ausgeführt.“

P.S. An diesem 18. November wurde publik, dass der für Innovationen zuständige Telekom-Vorstand Edward Kozel nach einer Amtszeit von nur 18 Monaten das Unternehmen überraschend verlassen wird. Medienberichten zufolge bat der gebürtige Kalifornier um die vorzeitige Auflösung seines bis 2015 laufenden Vertrags… In Spekulationen heißt es, er sei an den „starren Strukturen und quälend langsamen Prozessen des Bonner Konzerns“ gescheitert.

P.P.S. Dieser Bericht beruht auf einem Gedächtnisprotokoll. Es wurde nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt, kann jedoch Spuren von Nüssen enthalten.

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9 Kommentare

  1. 🙂
    das ist ja mittlerweile teil unserer kutur geworden, dass man, wenn man abends mit freunden zusammen sitzt, die telko-terror-geschichten raus holt. ich habe auf anhieb 2 auf lager. unser derzeitige telefon geht auch nicht richtig, wechseln will ich aber auf keinen fall. es ist besser als nichts, denn wenn man wechseln will geht der terror ja erst richtig los.
    eine freundin ist bei dem thema eine zeitlang ungelogen den tränen nahe gewesen.

    mein tip im übrigen, wenn man doch mal wechseln will, immer auch gleich das trägermedium wechseln. also von telefonleitung auf kabel und umgekehrt. man zahlt dann zwar meist in der übergangszeit doppelt. der vorteil ist aber der alte anbieter steht einem nicht im weg, in dem er den anschluss nicht frei gibt o.ä. (alles schon gehabt).

    insgesammt muss man aber leider sagen. die telkos sind eine – wenn auch vergleichsweise tolerierbare – form der organisierten krimininalität.

    hgfk

  2. Naja, wenn man mal bei den anderen war stellt man dann doch ernüchtert fest das die Telekom noch den am wenigsten schlechten Service hat…

    In der Praxis ist es i.d.R. ja so das auch ein Telekom-Techniker kommt, nur hat man dann vorher die Indirektion über einen anderen Anbieter.

    Bei Arcor (damals) konnte ich z.B. eine Internet-Störung (~1Mbit statt 16) frühestens nach 24h melden weil man dafür unbedingt irgend einen Online-Speedtest von denen machen musste.

  3. Also wenn die anderen Anbieter noch dreister/langsamer/kundenveralbernder sind, dann kann die Telekom ja alles so lassen wie es ist – oder?

  4. Die Telekom kann eben darauf bauen, dass sie weithin immer noch wie ein Monopolist gesehen wird, zu dem es scheinbar keine Alternative gibt. Dazu kommt, dass die alternativen Anbieter beim Service mit einer nur geringfügig besseren Qualität schon sehr gut aussehen! Im Ergebnis leiden wir alle darunter. Als positive Ausnahme, die Dir in Hamburg aber nichts nützt, wäre KabelBW zu nennen: Man erreicht die Hotline relativ schnell, die Leute sind kompetent und der Servicetechniker ist im Zweifel innerhalb von einer Woche im Haus…

  5. Aehnliches habe ich mitgemacht, als ich meinen Vertrag mit O2 kuendigen wollte. Eigentlich wollte ich lediglich umsteigen auf eine Prepaid Variante mit derselben Rufnummer, was sich als unglaublich kompliziert herausstellte. Erstaundlich, da ich doch beim gleichen Anbieter bleiben wollte.

    So versuchte ich online meinen Vertrag umzustellen, bekam dann allerdings eine neue SIM-Karte zugeschickt. Der Versuch O2 zu erklaeren, dass ich ungern meine Nummer wechseln wuerde endete mit langwierigen Telefonaten mit diversen Kundenberatern. Selbstverstaendlich kostete mich jeder Anruf, weshalb es nicht verwunderlich ist, warum die Mitarbeiter versuchen einen moeglichst lange am Hoerer zu behalten.

    Nach einer halben Ewigkeit entschied ich mich dann dafuer O2 komplett zu kuendigen, da ich seit Jahren immer wieder Probleme habe und die Kundenberatung nicht wirklich hilfreich ist. Auch die endgueltige Kuendigung endete in stundenlangen Telefonaten mit Kundenberatern die mich nach der Schilderung meines Problems gerne wieder an einen Kollegen verwiesen, der mir sicher weiterhelfen koennte. Auf die Frage warum ich kuendigen moechte konnte ich am Ende nur noch antworten: Ich bin mit ihrem Service einfach nicht mehr zufrieden.

  6. Habe ähnlich traumatische Erfahrungen gemacht beim Versuch, von der Telekom zu einem halb so teuren Anschluss von Vodafone zu wechseln. Und beim versuchten Umzug eines Internetanschlusses mit O2, und bei Mängeln mit meinem Provider 1&1, und bei der Änderung meines Handyvertrages von Maxxim zu Bildmobil.

    Alles ist KOSTENLOS, versprochen wird die Welt, gehalten wird wenig. Doch während man früher für solch ein Geschäftsgebahren noch in „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ angeprangert wurde, ist die Vera…… des Kunden heute integraler Bestandteil der Unternehmensphilosphie.

    Und das „Ministerium für Verbaucherschutz“ hat nichts besseres zu tun, als Google und Facebook zu bekämpfen…

  7. Schöne Geschichte. (Erinnert lautmalerisch an Kurt Schwitters dadaistische „Ur-Sonate“.)

    Tja. Die Bahn spielt mit uns doch dasselbe Arschkarten-Spiel. Regel Nummer 1 lautet: die Arschkarte hat immer der Kunde/Endverbraucher.

    PS.: Angesichts dieser Phantasiepreise für nix – erinnert mich an einen Elektriker, der jüngst vierzig Minuten „Parkplatzssuche“ in Rechnung stellen wollte – verstehe ich jeden, der sämtliche Handwerkereien „schwarz“ lösen läßt.

    PPS.: Schlüsseldienste, Rohrreiniger leben finanziell ebenfalls in Phantasien. Man hätte sich halt mit Gas/Wasser/Scheiße beschäftigen sollen, anstatt mit Studium/Promotion/Forschung.

  8. Ich hab herzlich gelacht – mich aber auch gleichzeitig an meine Telekom-Erlebnisse erinnert. Es ging ebenfalls um eine Eumex 800, die der Blitz auf dem Gewissen hat. Nach einigen Wochen ähnlicher Erfahrungen war die neue Anlage dann wieder in Betrieb.
    Dennoch: Ein Wechsel lohnt sich kaum, da der Service bei anderen Anbietern noch schlechter ist.

  9. Ich finde die Schilderung außerordentlich amüsant, wenngleich auch der Frust sicherlich riesig war. ABER. Ich persönlich glaube, dass wir selbst Schuld sind. Wir wollen immer alles billiger, aber keiner ist bereit dafür auch Abstriche zu machen. Auf der einen Seite wollen wir perferkten Service, auf der anderen Seite aber fleißig sparen. Ein Widerspruch in sich, denn dort wo guter Service geleistet wird, sind auch immer Menschen beteiligt. Personal kostet Geld. Gutes Personal kostet gutes Geld. Wenig qualifiziertes Personal kostet weniger. Einfach mal drüber nachdenken.

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